A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1979 (Debrecen, 1981)
Történelem - Székely György: Die Umwandlung des europäischen Siedlungsnetzes im 16–19. Jahrhundert und Ungarn
noch eine Provinzzentrale. Wobei jedoch bemerkt werden muß, daß es sich bei dieser Provinz um ein wirtschaftlich blühendes Gebiet des Habsburger Reiches handelte, und daß sich ihr Zentrum somit auch verwaltungsmäßig, gesellschaftlich, bildungsmäßig und wirtschaftlich entwickeln konnte. 1740 betrug ihre Einwohnerzahl 40 000, im Jahre 1780 70 000, um 1790 waren es 75 000, und zu diesem Zeitpunkt hatte die Hauptstadt der Provinz Mähren Brunn insgesamt 30 000 Einwohner. Im Vergleich zu den dortigen Ausmaßen traten diese beiden Städte bedeutsam hervor, denn gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die städtische Bevölkerung der Tschechei auf 140 000 Personen geschätzt, was kaum 5,5% der Landesbevölkerung ausmachte. Die Einwohnerzahl des wichtigen südtschechischen Zentrums Ceské Budejovice (Budweis) belief sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht einmal auf 8 000 Menschen. Diese gemäßigte Anstiegstendenz blieb auch bei. Im Jahre 1820 hatte Prag 92 000 Einwohner, 1850 157 000, während die Einwohnerzahl für 1861 auf 145 000 Personen geschätzt wurde, von denen der größte Teil tschechisch sprach. Zu dieser sprachlichen Entwicklung bildeten die kleineren deutschen Städte, wie z. B. Reichenberg mit seinen damals 19 000 Einwohnern, ein Gegengewicht. Doch die Hauptstadt der tschechischen Provinz überschattete diese allmählich mit ihrer hohen Einwohnerzahl, die sich 1869 schon auf 240 000 Personen belief. Dennoch blieb sie noch lange Zeit hinter der Textilindustrie der Nord- und Westtschechei zurück. 27 Auch in der modernen Zeit blieb es für die polnischen Gebiete charakteristisch, daß der Anteil der Stadtbevölkerung verglichen mit der Gesamtbevölkerung verhältnismäßig gering blieb (unter 10%). Dementsprechend ausschlaggebend war die Rolle der Landwirtschaft im Wirtschaftsleben, in den Gesellschaftsphänomenen und im Siedlungsnetz. Die Zahl an wirklichen Städten war im Verhältnis gesehen niedrig, der Städtetyp, der den ungarischen Marktflecken am nächsten kommt, war in Polen stark verbreitet, sodaß hier von einem recht weitmaschigen und lockeren Städtenetz gesprochen werden kann. Dennoch hielt das Wachstum an, und neue Zentren entwickelten sich. In ihrer Blütezeit war Warschau Residenzstadt und durch die Agglomeration verschiedener Siedlungen wuchsie groß san. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zählte diese Stadt noch ungefähr 30 000 Einwohner, während es dann 1790 schon 120 000 waren. In den folgenden Jahrzehnten mit ihren stürmischen politischen Ereignissen konnte nicht verborgen bleiben, wie rapide das Textilgebiet um Lodz anwuchs. Dies ist besonders gut von den 1820-er Jahren an zu beobachten, als sich nämlich nicht nur die kapitalistischen Verhältnisse herauszukristallisieren begannen, sondern auch der Prozeß der Herausbildung der Arbeiterklasse einsetzte. Bei der Umwandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse kam der jüdischen Bevölkerung im Polnischen Königreich eine besondere Rolle zu, da sie eine Glaubensgemeinschaft und gleichzeitig eine Gesellschaft mit rechtlicher Sonderstellung war. Ihre Lage in der Standesgesellschaft und ihre feudalen Beziehungen innerhalb ihrer Gemeinschaft begannen allmählich zu zerfallen und zu einer offeneren Gesellschaft zu werden, die die kastenmäßige Struktur ihrer Religion abzulegen gewillt war. Verbunden hiermit waren Bemühungen des polnischen Judentums, Gleichberechtigung vor dem Gesetz und die Aufhebung der feudalen Beschränkungen zu erlangen. Zur Zeit der kurz leb igen Selbstverwaltung des Polnischen Königreiches (5. Juni 1862) gelang es Aleksander Wielopolski das Gesetz über die Rechte der Juden vorzubringen und durchzusetzen. Dieser juristische Akt war eine bedeutsame Stellungnahme gegenüber der zaristischen 'Judenpolitik und erweckte sowohl bei den jüdischen als auch bei den polnischen Gemeinden großes Interesse. Doch die Städteentwicklung in Polen wurde durch all dies weder in Bewegung gebracht noch beschleunigt. Selbst die polnischen Städte mit 27 Jaromir Neumann: Führer durch die Gemäldegalerie der Prager Burg (Praha, 1965) S. 8—9 26, 74—75, 83—90; Jan Havranek (Praha) Beitrag zum Vortrag von Dányi, Dezső (Tanulmányok Budapest múltjából XX. Bp., 1974) S. 124.; Kosáry, Domokos: Bevezetés (Budapest története III. Főszerkesztő Gerevich, László, Bp., 1975) S. 10.; Nagy, Lajos: Budapest története a török kiűzésétől a márciusi forradalomig (s.oben) S. 475; Somogyi, Éva: A birodalmi centralizációtól a dualizmusig (Budapest, 1976) S. 19; Karel Pletzer: Ceské JBudejovice. Kurzer Auszug aus Vergangenheit und Gegenwart der Stadt Ceské Budejovice (Ceské Budejovice, 1970) 2. Spalte. 7 Déri Múzeum évkönyve 97