A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1979 (Debrecen, 1981)

Történelem - Székely György: Die Umwandlung des europäischen Siedlungsnetzes im 16–19. Jahrhundert und Ungarn

Wenn man bedenkt, daß es um 1800 auf dem Gebiet des Deutsch-Römischen Reiches nur drei Großstädte gab, die mehr als 100 000 Einwohner hatten, und daß zwei davon Residenzstädte (neben Berlin noch Wien) waren, sowie weiterhin, daß sich nur eine von den traditionellen mittelalterlichen Städten bis auf diesen Stand entwickeln konnte (Ham­burg), so zeigt dies deutlich, wie weit auseinander gezogen die Zentren des Siedlungsnetzes waren, wie das Reich zerbröckelte und daß in der Neuzeit die hauptstadtlosen Reiche keine Überlebenschance hatten. Deutlich wird hier aber auch, daß das zerfallende Deutsch-Rö­mische Reich nie ein wirkliches Zentrum hatte, denn alle drei wirklichen Großstädte lagen — sowohl geographisch als auch politisch gesehen — am Rande des Landes. Um noch etwas bei Wien zu verweilen: Es handelte sich hier nicht einfach um das Haupt einer Provinzengemeinschaft innerhalb des Reiches, sondern um eine Stadt, die das Herz eines die alten Grenzen umfassenden, neuen Reiches wurde, Diese Stellung Wiens wurde besonders noch durch die Niederlage des Rákóczi-Freiheitskampfes der Ungarn gefestigt. Nicht nur die Osmanengefahr, die noch zum Ende des 17. Jahrhunderts die Um­gebung und die Mauern Wiens so sehr bedroht hatte, nahm ein Ende, sondern auch ihre Rolle als Zentrum eines von der ökonomischen Seite her gesehen ebenfalls gut gegliederten Dynastiereiches verschönte und bereicherte die Kaiserstadt. Auch ihre Einwohnerzahl stieg enorm an: schon um 1700 waren es mehr als 100 000, 1754 175 000, um 1790 220 000, um 1800 230 000 und 1848 schon mehr als 400 000, während die Einwohnerzahl sich 1851 schon auf 431 000 belief. 22 Wenn die Hauptstädte und Hauptorte der Verwaltungseinheiten von Ländern und Landesteilen — wie z. B. Ungarn und Siebenbürgen —, die zu Provinzen herabgesunken oder wenigstens dazu verurteilt waren, nur im Schatten einer derartigen neuen Reichs­zentrale ihr Leben fristen durften, dann schufen die sich innerhalb des Reiches auseinan­derzerrenden Kräfte in ihrer glänzenden oder auch nur kleinlichen Kümmerlichkeit ihre pompösen Residenzstädte. So zerfiel das Deutsch-Römische Reich in das Österreichische Reich und Preußen, und schritt weiter fort auf dem Weg der Zerstückelung. Die Reichs­institutionen langten nicht mehr aus, um die Stadtbedeutung weiter zu fördern {Wetzlar, das seit 1689 die Zentrale für das Kammergericht im Deutsch-Römischen Reich war, blieb stets unbedeutend), hierzu brauchte es schon ein Fürstenzentrum, große Bauten und den Ausbau einer wissenschaftlich-künstlerischen Umgebung. Eines der schönsten positiven Beispiele hierfür liefert Dresden, das vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts planmäßig zur Residenzstadt des Kurfürsten von Sachsen ausgebaut wurde. Man erweiteite die Dresdener Altstadt mit dem Altmarkt darin, die Neustaat und 1670 die Friedrichstadt. Diese Stadt, die sich zur Königszentrale erhob, hatte sich über Jahr­zehnte hinweg nicht sehr entwickelt, doch dann nahm sie einen gewaltigen Aufschwung: ihre Einwohnerzahl wuchs während des 19. Jahrhunderts um das Zehnfache an, von 50 000 auf eine halbe Million, und die bebaute Fläche betrug das Dreifache. 23 Den Städten solcher Größenordnung folgten die Residenzstädte der Kleinstaaten, die trotz ihrer geringen Größe und des Mangels an entsprechenden wirtschaftlichen Gegebenhei­ten den großen in nichts nachstehen wollten. Die Stadt Karlsruhe, die den Sitz des Markgrafentums und später des Großherzogtums Baden bildete, trat um 1715 durch einen planmäßigen Ausbau hervor; ihr Schloß entstand in den Jahren 1715-—1719 und als Verwaltungszentrale verfügte sie auch über öffentliche Gebäude. Es gab hier zweistöckige Wohnungen für die Adligen und die Beamten, während die Bürgerhäuser und die Häuser der Dienstleute im südöstlichen Teil der Stadt einstöckig waren. Klein-Karlsruhe blieb ein Dorf. Hauptstadt des Herzogtums Berg war Düsseldorf, 22 Karl Czok: Die Stadt. Ihre Stellung in der deutschen Geschichte. (Leipzig— Jena— Berlin, 1969) S. 102.; Kosáry, Domokos: Bevezetés (Budapest története III. Főszerkesztő Gerevich László., Budapest, 1975) S. 10.; Nagy, Lajos: Budapest története a török kiűzésétől a márciusi forra­dalomig, (s. oben) S. 128, 375. 23 R. C. van Caenegem—F. L. Ganshof: Kurze Quellenkunde des Westeuropäischen Mittelalters (Göttingen—Gent, 1964) S. 79.; Lothar Berthold u.a. (Red.) : Atlas zur Geschichte. Band 1 (Gotha— Leipzig, 1973) S. 73.; Heinz Klemm: Schönes Dresden (Dresden, 1967) S. 36. 95

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