A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1977 (Debrecen, 1978)

Természettudomány - Ötvös János: Geobotanische Studien aus der Flora der Hochkarpaten

János Ötvös GEOBOTANISCHE STUDIEN AUS DER FLORA DER HOCHKARPATEN Im Laufe jahrelanger, kostspieliger und mühevoller Feldarbeit habe ich die Schneeberge der Karpaten abgesucht und ihre Pflanzenwelt studiert; unterdessen konnte ich 354 verschiedene Arten und Varianten von alpinen Gewächsen sammeln. Diese recht ansehnliche Menge, der ich keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit einräumen möchte, vermittelt uns ein hochinteressantes und ab­wechslungsreiches Bild über die Flora der Hochkarpaten. Laut Verzeichnis sind auf den Schneebergen der Karpaten 99 arktische, d.h. solche Pflanzen zu finden, die nördlich vom nördlichen Polarkreis teils auf dem Flachland (Tundra), teils im Gebirge (Schneeberge) leben. Es stellt sich nun die Frage: Wie gelangten diese Pflanzen in die Karpaten? Am Ende des Tertiärs kühlte das Klima allmählich ab und im Quartär trat der Winter ein. Vor dem Eis zog sich die Tertiärflora südwärts zurück, doch stellten ihr die querliegenden Berge natürliche Hindernisse in den Weg. Nur wenige Pflanzen vermochten die Hindernisse zu überwinden, die Mehrheit ging zugrunde. Einige der vor dem Eis fliehenden Pflanzen gelangten bis in das Karpaten­becken, wo damals ein ähnliches Klima herrschte wie in der Tundra. Während der Eiszeit gab es jedoch sog. interglaziale Perioden mit einem merklich wärmeren Klima; infolgedessen zog sich der Eispanzer in nördlicher Richtung zurück und aus dem Süden und Südosten rückten ihm die Pflanzen nach. Dieser Prozeß sollte sich in der Eiszeit mehrmals wiederholen. Da die aus der Nähe des Polar­kreises gekommenen Pflanzen das warm gewordene Klima nicht ertragen konnten, gingen einige von ihnen zugrunde, während andere sich auf die Schneeberge hinaufzogen. So gelangten also die arktischen Elemente in die Hochkarpaten. Allerdings wird diese allgemein verbreitete Meinung durch die jüngsten geobotanischen Forschungen einigermaßen verändert bzw. ergänzt. Sowjetische Botaniker (z.B. Tolmatschew) stellten fest, daß die Arktis auch vor der Eiszeit ihre eigene Flora hatte. Dies beweist die Pflanzenwelt jener Gebiete der nördlichen Sowjetunion, die selbst eisfrei blieben und allenfalls von der Vereisung abgekühlt wurden — ein Effekt, den aber die Pflanzenwelt überstehen konnte. Infolge der erwähnten natürlichen Hindernisse konnte nur ein geringer Teil der ursprünglichen arktischen Flora dem Eis entfliehen. Diese arktischen Urgewächse unterscheiden wir mit dem Attribut „euarktisch" von der mittlerweile entstandenen sekundären arktischen Flora. Bis zum Karpatenbecken ist also nur ein Bruchteil der „euarktischen" Flora vorgedrungen. Nach der Eiszeit zogen sich diese Pflanzen, nunmehr von der Wärme getrieben, teilweise in ihre ursprüngliche Heimat zurück oder in das kältere Klima des Hochgebirges hinauf. Solche euarktische Pflanzen in den karpatischen Schneebergen sind: Ranunculus pygmaeus, Loiseleuria procumbens, Dyras octopetala, Salix herbacea, S. retusa. Während der wiederholten Flucht und Rückwanderung entwickelte sich allmählich durch Kreuzung mit anderen Arten und durch Akklimatisierung eine sekundäre arktische Flora in Gebirgs- und Flachland-(Tundra-)Relation, deren einzelne Mitglieder heute auf den Schnee­bergen leben: Poa alpina, Oxyria digyna, Thalictrum alpinum, Cerastium cerastoides, Arabis alpina, Viola alpina, Gnaphalium supinum. Die überwiegende Mehrheit des registrierten arktischen Elements setzt sich also aus solchen sekundären arktischen Bestandteilen zusammen. Lange Zeit herrschte über die arktisch-alpinen Pflanzen der Hochkarpaten die Meinung, sie wären mit der Flora der Tundra identisch, zumal ja die Tundra tatsächlich ihre eigene, typische Pflanzenwelt in feuchter und trockener Variante hatte. Diese Flora zog sich vor der Vereisung ebenfalls in südlicher Richtung zurück. Einige ihrer Mitglieder gelangten ins Karpatenbecken und dann auf die Schneeberge. Etwa 10 dieser Arten sind mit der Tundra —Flora gemein: z.B. Salix herbacea, Oxyria digyna, Empetrum nigrum, Saxifraga oppositifolia, S. cernua, Dryas octopetala, Thalictrum alpinum, Carex firma, Festuca glaciális, F. Supina. Russische Botaniker haben die ganze Pflanzenwelt der Tundra erforscht, die Pflanzenassoziatio­nen ermittelt und auf dieser Grundlage die botanischen Kriteria der Tundra bestimmt. Sie stellten fest, daß von einer Tundra in Abwesenheit gewisser Moos- und Flechtenarten nicht die Rede sein kan (Moosarten: z.B. Aulacomnium turgidum, Rhacomitrium lanuginosum, Polytrichum- und 77

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