A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1969-1970 (Debrecen, 1971)

Néprajz - Szabadfalvi József: Überlieferungen der extensiven Schweinezucht in Ungarn

nur dann eingeführt, als der strenge Flurzwang aufgehoben wurde bzw. als die Fruchtfolge und die freie Wirtschaft auf den Ackerfeldern zustande kam. Vorhergehend dienten nur die Gerste, die Kleie der Getreidearten, der Kehricht der Mühlen, die Nebenprodukte der Branntweinbrennereien sowie die Küchenabfälle zum Futter der Schweine. Ausserdem si­cherten die oben erwähnten Gebiete, Wildwasser und Waldungen natürliches Futter für die Schweine. Die Rinder, Pferde und Schafe wurden nur selten, z. B. bei grosser Dürre, vom Früh­ling bis zum Herbst im wasserreichen Gebiet unter freiem Himmel gehalten. Die reiche Pflanzenwelt der Wiesen an den Flüssen und Seen kam höchstens im Winter als Weide in Betracht (s. diesbezüglich Acta Ethnographica, Tom. XVII. Budapest, 1968. pp. 139-167). Die Abziehung der Flut, die Flussregulierung, der Dammbau und die Binnentwässerung er­folgten erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Vor diesen Massnahmen wurde mindestens die Hälfte der ganzen Grossen Ungarischen Tiefebene in einer Jahreszeit überflutet. Die Schwei­nezucht an den Flüssen und Gewässern wurde schon vom 11-12. Jahrhundert an in den Urkunden erwähnt. Der grosse Geschichtsschreiber und Humanist Miklós Oláh berichtet in seinem Buch Hungária, das um 1540 entstand, darüber folgendermassen : ,,Bei uns werden die Schweine mit einer Anzahl von Fischen, Vogeleiern und jungen Pflanzen der Moore, Sümpfe und Wiesen gefüttert." Pál Osváth schreibt Folgendes in seiner Arbeit (1875) über das Dorf Szerep (Kom. Bihar): ,,Das Gebiet von Szerep eignete sich in der alten Zeit be­sonders zur Schweinezucht, weil das Schwein vom Fisch, vom Pfuhlfisch und im Winter von der Rohrkolbenwurzel so viel fressen konnte, dass es nur zum Jungen nach Hause getrieben wurde." Als Sumpf- und Moorgebiete galten in der Grossen Ungarischen Tiefebene: Bodrog­köz (das Gebiet zwischen den Flüssen Tisza und Bodrog im Kom. Zemplén), Rétköz (Kom. Szabolcs), Ecsedi-láp (Ecseder Moor im Kom. Szatmár), Nagysárrét (Kom. Bihar), Kissárrét (Kom. Békés), das Mündungsgebiet des Flusses Maros und die Tisza (Kom. Csongrád). In. diesen Gebieten spielte die Schweinezucht eine überaus grosse Rolle, und hier wurde auch eine charakteristischen Schweineart der Landschaft, das Schwein von Szalonta hochgezüch­tet (Bild 3). Hier wollen wir einige Angaben mitteilen, die im Gedächtnis des Volkes auf­bewahrt wurden: ein Hirt, der 1875 in Hajdúnánás (Kom. Hajdú) geboren wurde, stellte das Gebiet folgenderweise dar: ,,Im Ried gab es kein Ackerfeld, die Schafe und Schweine hatten hier ihre Winterquartiere. Sie frassen die Wurzeln der Binse und des Rohrkolbens. Im Wildwasser war hauptsächlich die Sauherde einheimisch." In Kornádi (Kom. Bihar) bildeten die aus dem Wasser hervorragenden Hügel den Sitz der Schweineherde. Hier wur­den Pferche aus Rohr für sie gebaut. Der ausgezeichnete Forscher der Ethnographie der Landschaft Nagysárrét Sándor Szücs schreibt Folgendes von der Schweinezucht im Ried: ,,Das Ried war das eigentliche Heim der Sauherde. Sie suchte das Dorf nie auf. Die Hügel des Sumpfes bildeten ihren Weideplatz, aber sie konnte auch breites Gewässer durch­schwimmen. Die Herde frass das Gras und die Pflanzen mit breiten Blättern gern. Am liebsten wühlten sie dennoch im Sumpf und Ried. Ihre Nahrung bestand aus dem Stamm und der Wurzel der Binse und des Rohrkolbens, aus Erdnüssen, Würmern, Schnecken, Fi­schen, Eiern und jungen Vögeln, aber die Schweine verachteten auch die Frösche und Schlangen nicht." Die trächtigen Mutterschweine, wenn es nicht wahrgenommen wurde, und wenn sie nicht nach Hause getrieben wurden, warfen auch die Jungen im Ried. Sie verliessen die Herde, zogen manchmal Kilometer weit, wühlten tiefe Gruben, in denen sie Nest aus Pflanzen und Grässern bereiteten. Am Tage waren sie beim Weiden, in der Nacht zogen sie sich zu ihren Jungen zurück, um sie zu tränken. Die Ufer der nicht regulierten Flusstäler und die Wildwasser wurden durch die Schweineherden gern aufgesucht (Bild 1-2). Eine andere und noch mehr bevorzugte Weise der einstigen Schweinehaltung war das Weiden im Walde, die Eichelmast. Das Waldgebiet Ungarns eignete sich dazu beson­ders. 1890 war 7 590 041 Hektar das damaligen Ungarn, d. h. nahezu 30% des ganzen Ge­bietes des Landes mit Wäldern bedeckt. 49,49% des ganzen Waldgebiets bestand aus Bu­chenwäldern und 27,80% aus Eichenwäldern. In zahlreichen historischen Urkunden und Schriftstücken kommen Aufzeichnungen von der sich vom 10. Jahrhundert an immer mehr verbreitenden Schweinezucht und Eichelmast schon im Mittelalter vor. Auch in den Chro­niken und Legenden der Arpadenzeit, z. B. in der St. Gellért-Legende werden sie erwähnt. Eine Anzahl wertvoller Beschreibungen der Eichelmast findet man in den verschiedensten Quellen, Enzyklopädien, geographischen und wirtschaftlichen Arbeiten. In der Enzyklopädie von János Apáczai Csere, die 1653 veröffentlicht wurde, steht z. B. Folgendes: ,,Die Buch­eichel ist den Schweinen wegen der Süssigkeit sehr lieb. "Im Werk von Mátyás Bél, das in den Jahren 1735-1742 herausgeben wurde, kann man lesen: „Die wertvollste Gegeben­heit des Bakony-Gebirges ist doch, dass die Eichel hier in einer Menge wächst, die eine 331

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