A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1958-1959 (Debrecen, 1960)
Miroslava Ludvíková: Krämerlieder mit ungarischen Motiven in den Sammlungen des Märischen Museums in Brno
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts befindet sich das Krämer lied im tiefsten Verfall. Es ist gekennzeichnet durch kaufmännische Hast und durch Nachlässigkeit, welche die Konsumenten, die anspruchsvoller werden, abschreckten. Zuletzt wird dieses Lied durch den schnellen und schlagfertig reagierenden Berichterstattungsdruck verdrängt und erlischt in den Händen der armseligsten, enterbten Mitglieder der damaligen Gesellschaft als eine nur verschleierte Bettelei. Im Museen treffen wir Lieder an, welche bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts überwiegend ein Zwölftelformat haben und welche ihr Besitzer — eigentlich der ursprüngliche Sammler — in dicke Bändchen näthe, sog. Klötzchen, welche er häufig mit einem Stoff Umschlag versah. Hier kommern Lieder mit dem unterschiedlichsten Text zusammen, aus den verschiedensten Zeiten und Druckereien so wie sie ihr Besitzer erwab. Die Krämerlieder mit ungarischen Motiven werden in der Mehrzahl in der Skarnicelschen Druckerei in Skalice in der Slowakei gedruckt, oder in mährischen Druckereien (Brno, Olomouc u. a.), aber wenn das Lied Erfolg hatte und guten Absatz fand, wurde es ruhig — ohne Rücksicht auf irgend ein Autorrecht — auch durch andere Druckereien übernommen. Das Lied können wir in zwei Gruppen teilen. In der ersten erscheint Ungarn als Ort der Handlung nur zufällig, nur als Vorwand zur Lokalisierung eines zeitlosen Geschehens, damit dieses an Wahrscheinlichkeit gewinne. In der zweiten wird unter Anführung des Datums und des Ortes irgend eine Begebenheit bis in alle Einzelheiten geschildert, welche die Zeitgenossen erregte und die also eine tatsächliche Grundlage hat (Naturkatastrophen, Epidemien, Kriege). Schon auf den ersten Blick scheint es uns, dass der Umkreis der Lieder mit ungarischen Motiven im Hinblick auf die andern sehr beschränkt und ärmlich ist. Dem ist so weil der Verfasser des Liedes, in den früheren Zeiten der grossen Entfernungen sich z. B. mit dem ungarischen Milieu nur als Soldat bekannt machen konnte. Wollte er solch einen entfernten Ort schildern, musste er freilich Motive ausschliessen, die einerseits einer genauen Bestimmung des Ortes nicht bedürfen, andererseits jene, die sich in journalistischer Weise mit speziellen örtlichen Motiven befassen, welche dem Konsumenten nahe sind. Zu den beliebtesten Krämerliedern liedern gehörte das Lied von der Tochter des Kommandanten der ungarischen Stadt Wardagna (oder Wardawa), welche wir der ersten Liedergruppe zurechnen. Im Mährischen Museum befindet es sich in 7 Exemplaren. Eine Ausgabe ohne Holzschnitt beinhaltet keine Angaben über die Provenienz oder das Entstehungsjahr. Die Skalitzer Ausgaben sind aus den Jahren 1852, 1875, 1879 und zwei ohne Zeitbestimmung. Der „Reklame" — Holzschnitt auf der Titelseite hängt bei keiner von ihnen mit dem Thema des Liedes zusammen. Die Skalitzer Ausgaben, später als die Leitomischler entstanden, welche man in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegen kann, unterscheiden sich von der Leitomischler dadurch, dass ihre Sprache der gegenwärtigen Schriftsprache näher kommt. Die Participa sind beseitigt, sowie die tscheschischen Dialektformen und die üblichen barocken Verkleinerungsformen und ähnliches. Ueber die Singweise bemerkt man nur, dass sie bekannt ist. Auf 7 Seiten in 35 Strophen* entwickelt sich dann das Lied, das in sich zwei Grundelemente verbindet: die Geschichte eines Mädchens, welches ablehnt 106