Arrabona - Múzeumi közlemények 7. (Győr, 1965)
Mollay K.: Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin
Unsere Hs, kann auf Grund paläographischer und sprachlicher Merkmale aus dieser Zeit stammen. Dafür zeugt auch der Umstand, daß die Stelle für den Namen der Kottannerin jedesmal leer gelassen wurde: in fünf Fällen wurde er mit einem Anfangsbuchstaben (k.), in drei Fällen mit zwei Anfangsbuchstaben (H. oder e. und k.) von der ersten Hand angedeutet, in fünf Fällen von einer zweiten Hand später eingetragen (vgl. den kritischen Apparat). Ebenso wird auch die Stelle des Namens ihrer zwei Mithelfer leer gelassen. Die Verschweigung der Namen geschah wohl aus Vorsicht; nach 1452, also nach der Herausgabe der erwähnten Schenkungsurkunde wäre diese Vorsicht nicht am Platze gewesen. Trotzdem ist es fraglich, ob unsere Hs. die Originalhs. ist. Vorhin beimerkten wir, daß der Name der Kottannerin ,von der ersten Hand in die Hs. nicht eingetragen wurde. Ich konnte mir das — ebenso wie Uhlirz — nur mit der Furcht vor der Entdeckung bzw. der Vergeltung erklären. 46 Die erste Hand unserer Hs. schreibt aber auf Bl. 15 r : mein man, der Kottanner (S. 277). Noch auffallender sind die Schreibfehler, die bislang von niemanden berücksichtigt wurden. Ic'* denke hierbei besonders an die ausgebliebenen Wörter (im Kursivdruck), an die unnötige Wiederholung von Wörtern (vgl. die Fußnoten x, y, rr), von Ausdrücken (vgl. die Fußnoten n' —o' ,n' n, o' q' q, b'), an die überflüssigen Wörter (vgl. die Fußnoten kk, tt, g' g), an die Fälle, wo die erste Hand ein Wort beginnt, dann jedoch bemerkt, daß vorher ein Wort, zwei Wörter oder gar ein ganzer Satz ausgeblieben sind, und diesen Fehler verbessert (vgl. die Fußnoten jj> U, j' j; vgl. auch r'). 47 Ich glaube deshalb, daß wir es hier mit einer Abschrift zu tun haben, daß es also noch eine Hs. gegeben haben muß. Ob diese Hs. von der Kottannerin selbst geschrieben wurde, kann natürlich nicht festgestellt werden. Die vorhandene Hs, weist auf eine schreibkundige, schriftgeübte Hand, der Duktus ist gleichmäßig. Uhlirz (a. a. O.), der unsere Hs, für die Originalhs. ansieht, meint, sie sei einem Schreiber von der Kottannerin diktiert worden. Gewiß liegt den Denkwürdigkeiten der Erlebnisstoff der Kottannerin zugrunde. Es ist aber schwer zu glauben, daß im 15. Jahrhundert eine Frau, auch wenn sie so erfahren und schlagfertig war, wie die Kottannerin, diese Denkwürdigkeiten ohne Zuhilfenahme einer gelehrten Feder vom Anfang bis zum Ende, wie eine einfache Erzählung diktiert hätte. Aufbau und die unleugbare Tendenz 43 scheinen das zu bestätigen. Dessenungeachtet bleiben die Denkwürdigkeiten eine wichtige und wertvolle Quelle für Ungarns Geschichte im 15. Jh., die ältesten Frauenmemoiren des deutschen Mittelalters, 49 und ihre Urheberin eine markante Gestalt dieser Zeit. 46 Ganz unwahrscheinlich ist die Erklärung von Alice Wengraf (S. 000). 47 Unverständlich ist mir, wie auf Bl. 10 r das Wort kawm (vgl. Fußnote q') entstand. Sollte das trotzdem beim Diktieren durch Mißverstehen der mundartlichen Aussprache des Wortes gehaim zustande gekommen sein? 48 Die im Text häufig vorkommende Anredefarm ir kann sich ebensogult auf d i e Hörer oder Leser im allgemeinen, wie auch auf einen bestimmten Hörer oder Leser, für den die Denkwürdigkeiten geschrieben sind (Ladislaus Postumus?), beziehen. 49 Der Text ist auch in sprachgeschichtlicher Hinsicht aufschlußreich. So ist z. B. das Wort capitel ,Abschnil(t eines Buches' nach der bisherigen Forschung (vgl. Kluge —Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin, 1960) um 1500 schon eine geläufige Eindeutschung aus spätlat. capitulum (vgl. Schulz —Basler: Deutsches Fremdwörterbuch, Straßburg, 1913 ff.). 255