Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Béla Gunda: Zsigmond Bátky (1874 - 1939)
den der allgemeinen Ethnographie/Ethnologie verfolgte er stets mit größter Aufmerksamkeit. Die verschiedenen Werke von Fritz Graebner, Wilhelm Schmidt, Wilhelm Köppers und Leo Frobenius gehörten zu seinen ständigen Lektüren. Oft drückte er sein Bedauern aus, weil die europäische Ethnographie des 20. Jh. die Tätigkeit von O. T. Mason (USA) und P. Ehrenreich ignoriert oder weil wir die Pflugtheorie von E. B. Tylor aus 1881 vergessen hatten. Stundenlang konnte er über Abhandlungen sprechen, wie etwa der berühmten (und ebenfalls vergessenen) Aufsatz von W. D. Wallis: Diffusion as a Criterion of Age (American Anthropologist 1925). Beim Ableben von Friedrich Ratzel und Adolf Bastian, die an zwei entgegengesetzten Polen standen, würdigte er die Bedeutung beider in inhaltsreichen Erinnerungen. Fr. Ratzel stellt er vor als einen, der in die ethnographischen Untersuchungen die geographische Methode eingeführt hat, wonach aufgrund der Verbreitung von Kulturobjekten, Bräuchen, Zaubereien und mythischen Vorstellungen die Beziehungen geschichtlicher Bewegungen und Völker rekonstruierbar sind (1904, 248—50). Im Unterschied zu Ratzels These vertritt A. Bastian die Ansicht, wonach die kulturelle Entwicklung der Menschheit einheitlich sei und nur der Grad, aber nicht das Wesentliche die höchstentwickelten und die rückständigsten Naturvölker auf geistigem Gebiet voneinader trenne (1905, 145—49). Das Denken der Völker ist ähnlich, daraus ergeben sich Übereinstimmungen in weitentfernten Gebieten. Mit Hinweis auf die Lehren A. Bastians betonte Zs. B á t k y die wertvolle Hilfe, die die Psychologie, die Archäologie, die Anthropologie und die Sprachwissenschaft im Kennenlernen der Volkskultur/Naturvölkerkultur zu bieten vermögen. All dies beweist eindeutig, daß Zs. B á t k y auch in der englischen anthropologischen Schule wohlbewandert war. Die Survival-Theorie von E. B. Tylor schätzte er hoch ein, in seiner statistischen Methode sah er eine „soziale Physik“. Bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts bemühte sich Zs. B á t k y, die ersten Sproßen der funktionellen Methode zu eruieren, als er sich dafür einsetzte, den inneren Wert, die in der Gemeinschaft erfüllte Funktion der ethnographischen Analogien zu untersuchen. Tun wir das, so erwiesen sich die sog. Analogien gewöhnlich als falsch, denn in Unkenntnis der Funktion der Erscheinungen halten wir die Ähnlichen für identisch. Hinter den äußerlichen Ähnlichkeiten können sich innere unterschiede verbergen. In verschiedenen Abhandlungen deutet er auf manche Ergebnisse der allgemeinen Ethnographie hin. So erörterte er die Arbeit von Bernhard Ankermann über die afrikanischen Kulturkreise und -schichten. B. Ankermann vertrat die Hypothese, wonach Afrikas Kultur eine mehr oder weniger verblaßte asiatische Kultur sei. Rezente Forschungen betonen dies vor allem im Zusammenhang mit Ostafrika (W. Hirschberg, S. Lagercrantz, V. Grottanelli, M. Horton). Zs. Bátky meinte bereits im Jahre 1906, bei solchen Hypothesen könne man die Ergebnisse der komparativen Sprachwissenschaft nicht außer acht lassen (1906,434—40). Ohne hier seine zahlreichen Warnungen, Feststellungen und Hypothesen erörtern zu wollen, möchte ich diesmal nur seine Abhandlung über die Geophagie erwähnen, eine wahre Perle der ungarischen allgemeinen ethnographischen Literatur (1907, 129—32). Bezeichnend für das Interesse B á t k y s für die Naturvölker ist seine Übersetzung bzw. Überarbeitung des Werkes Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens von Karl V. Steinen (Berlin 1894), ein Meisterwerk, welches sämtliche Werte des Originals getreu wiederspiegelt. Mit staunenswerter Sicherheit und Fachkenntnis vermochte er die komplizierten ethnographischen Terminologien ins Ungarische zu übertragen (1914). Im Ethnographischen Museum, in einer „gegenständlichen“ Welt, erkannte er alsbald, daß weder dieses Institut, noch die verschiedenen Provinzmuseen über entsprechende Sammlungen verfügten, diese vielmehr einer systematischen Ergänzung bedürften. Zum Sammeln ethnographischer Objekte veröffentlichte er eine Anleitung, das erste Handbuch der ungarischen „Sachethnographie“ (1906). In dieser Arbeit erörtert er die Essenz der Ethnographie und betont, beim Sammeln ethnographischer Objekte seien nicht nur die verschiedenen Berufsgruppen, sondern auch die Gesellschaftsschichten zu beachten. Die Bauernschaft bezeichnet er als eine mehrschichtige Berufsgruppe. Auch meinte er, man könne nicht die „materielle“ und die „geistige“ Kultur voneinander trennen. Dies war übrigens das einzige längere Werk Bátkys. Seit 1900 veröffentlichte er sonst nur kürzere Artikel, Aufsätze von 20—25 Seiten in der Zeitschrift Néprajzi Múzeum Értesítője (Mitteilungen des Ethnographischen Museums). In diesen erörtert er vor allem Arbeitsgeräte (Sichel, Hanfgeräte, Geräte, die bei offenem Feuer verwendet werden) und Trachtenstücke, von denen er manche (Feuerbock, Backglocke, Schießpulverflasche aus Hirschgeweih usw.) auch in späteren Arbeiten behandelt. Bei der Untersuchung jedes einzelnen Gegenstandes setzte er das Prinzip „Wörter und Sachen“ durch. Aus der Reihe seiner diesbezüglichen Publikationen möchte ich seine Arbeiten über den Feuerbock etwas ausführlicher darlegen (1909, 78—79; 1938, 1—11). Im ungarischen Volksgebiet sind die Feuerböcke im allgemeinen vierbeinig, doch sind in der Gegend von Ödenburg (Sopron) und in Siebenbürgen auch dreibenige Formen gebräuchlich. Ein siebenbürgisches Produktionszentrum ist das Dorf Torockó (Siebenbürgisches Erzgebirge); aus den hiesigen bäuerlichen Hammerwerken verbreiteten sich archaische Formen. Wahrscheinlich waren auch deutsche Siedler und zigeunerische Wanderschmiede an der Verbreitung der Feuerböcke in Siebenbürgen beteiligt. Im Karpatenbecken wurden die verzierten Formen aus den Küchen der höheren Gesellschaftsschichten von der Bauernschaft übernommen, doch manche Formen waren auch westlicher Provenienz. Tönerne Feuerböcke waren in Ungarn schon in der Bronzezeit bekannt. In manchen ungarischen Gegenden (Szeklerland, Szatmár, Süd-Baranya) wurden vor 60—80 Jahren die eisernen Feuerböcke durch einen Stein oder einen Lehmziegel ersetzt, der an den Herd angeklebt war. Die verschiedenen tierförmigen Feuerböcke entstanden wahrscheinlich in Norditalien im etruskisch-keltischen Kulturgebiet, und behielten ihre Form und ihre Tiernamen (Katze, Pferd, Hund, Ziege) im größten Teil Europas. Die Tierformen und Tiernamen dieser, zu Abstützung des brennenden Holzes dienenden Geräte, sind dadurch zu erklären, daß sie urpsrünglich auch das Feuer zu schützen hatten. 8