Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Gabriella Schubert: Ungarische und türkische Vorbilder in den Wohnkulturen der Balkanvölker

konyha Abb. 3.: Das dreiteilige ungarische Bauernhaus, mit dem Vorraum (pitar) und der Küche (konyha) in der Mitte, dem beheizten Wohnzimmer (szoba) zur Linken und der Kammer (kamra) zur Rechten. gebracht werden; es dürfte also aus einem altostslav *kamenica oder *kamnica entstanden sein.(17) Nach dem 14. Jahrhundert war auch die Einraumwoh­nung der Ungarn Veränderungen unterworfen. Ausgra­bungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert zeigen, daß viele Häuser in dieser Zeit bereits aus drei Räumen be­standen und mit dem in Mitteleuropa entwickelten Heiz­­und Kochsystem ausgestattet waren. Das Wohnzimmer szoba wurde vom Herd der benach­barten Küche aus (genannt füstöskonyha)18) „Rauch­küche“) beheizt. Der Rauch zog über die Küche ins Freie. Der dritte Raum zur anderen Seite der Küche war die Vorratskammer, genannt kamra. Nach D á m trat das rauchfreie Wohnzimmer zuerst in der Tiefebene im 16. Jahrhundert, in den Häusern der Agrarbürgerschaft der Städte auf. Dieses Zimmer war auch mit einer Decke versehen, während in der deckenlosen Küche der Rauch durch die Tür oder durch eine Dachluke ins Freie gelangte. Teilweise waren an der Dachluke auch bereits Schornsteine angebracht. Solche Häuser wurden zunächst nur von reichen Leuten bewohnt, doch bis zum 17./18. Jahrhun­dert verbreiteten sie sich vom Westen nach Osten über ganz Ungarn und repräsentieren bis zum Ersten Welt­krieg das typisch-ungarische Bauernhaus(19); vgl. dazu Abb. 3 und 4. Bis zum 15. Jahrhundert wurden für die in Ungarn be­nutzten Kachelöfen die Kachel aus Deutschland importiert. Doch dann entstanden auch einheimische Kachelwerkstät­­ten; eines der Zentren der häufig durch Mönche betriebe­nen Kachelwerkstätten befand sich in Siebenbürgen^20) Später, als die Bauern der Tiefebene infolge der drückenden Lasten der Osmanenherrschaft nicht mehr die Möglich­keit hatten, Kachel für ihre Öfen zu beziehen, bauten sie sich riesige Heizöfen aus Lehm, búbos kemence bzw. boglyakemence. Daraus erklärt sich, daß Heizöfen aus Lehm in Mittelungarn häufiger im Wohnzimmer zu finden sind(21), während in Westungarn Kachelöfen, szemes kályha, und in Ostungarn Kaminöfen, eine spezifisch ungarische Kombination von Kamin und Kachelofen, kandalló, vorherrschen; vgl. dazu Abb. 5. Die teils zy­lindrischen, teils rechteckigen Kachelöfenformen waren nicht nur in Ungarn, sondern in ganz Mitteleuropa ver­breitet.(22) Nicht nur das Heizsystem, sondern auch viele der Einrichtungsgegenstände waren im ungarischen Haus mitteleuropäischen Ursprungs. Dies bezieht sich insbe­sondere auf das Wohnzimmer, in welchem Tische, Stühle, Betten, Truhen und Schränke der uns heute noch bekannten Formen an die Stelle einiger altungarischer Einrichtungs­gegenstände getreten sind.(23) Die Anordnung dieser Ein­richtungsgegenstände wird weiter unten genauer be­schrieben. Zunächst jedoch einige Worte zur Anordnung der Räumlichkeiten. Der Eingang des ungarischen Bauern­hauses, der zumeist aus Lehmziegeln gebaut war, befand sich zumeist an der Südseite. Er führte stets in den Vor­raum pitvar, welcher mit der Küche, konyha, verbunden war (vgl. hierzu Abb. 3 und 4). In der Küche dominierte der Ofen, der in die Wand zwischen der Küche und dem Wohnzimmer hineingebaut war und zum Kochen und Backen sowie zur Beheizung des Kachelofens diente, der von der Zimmerseite aus mit ihm verbunden war. Oft war der Küchenofen mit Feuerbänken verbunden.!24) Hier waren alle Haushaltsgeräte, Vorrichtungen, Geschirr, Kochtöpfe und Backtröge untergebracht. Die beiden ande­ren Räume waren zumeist von der Küche her zu betreten. Sofern nur einer der beiden Räume als Wohnzimmer benutzt wurde, so war dieser stets zur Straßenseite ge­legen, während das andere als Geräte- und Vorratskammer (kamra), auch als Schlafzimmer der Frauen und Kinder diente. Handelte es sich bei beiden Zimmern um „gute Stuben“, so war das zur Straße gelegene Zimmer für Repräsentationszwecke vorgesehen. In diesem sog. „reinen Zimmer“ (ung. tiszta szoba) wurden gewöhnlich Gäste empfangen. Beide Zimmer hatten in diesem Falle jedoch eine ähnliche Aufteilung (vgl. Abb. 6). Nun zur Gestaltungsweise des ung. szoba im einzelnen. In der Einrichtungsweise des Zimmers ist das diagonale Prinzip seit alter Zeit maßgeblich!25) (vgl. hierzu Abb. 7). (17) TEtSz II, 436; Kniezsa, L: a.a.O., 26Iff. (18) konyha slaw, kuchynja „Küche“; TEtsz II, 558f. (19) Filep, Középmagyar háztípus 324; vgl. auch Bátky 1941, 108—217. (20) Filep, Kályha. (21) Vgl. Dám 1986, 238. (22) Vgl. Franc 25. (23) Die landnehmenden Ungarn kannten keine Betten. Sie pflegten in ihren Kleidern auf dem Boden zu schlafen. Das ung. szék „Stuhl“ ist alttürkischen Ursprungs — noch im 12. Jh. bedeutete es im Ung. „Residenz, Thron“ wie im Alttürkischen ; später allerdings wurde dieses Wort mit dem neuen mitteleuropäischen Sitzstuhl assoziiert. Ung. asztal „Tisch“, das slav. Ursprungs ist, bezeichnete bis zum 15. Jh. ebenfalls einen ganz anders gearteten, niedrigen und runden Tisch; erst seit dem 15. Jh. ist mit ihm ein hoher, rechteckiger Tisch gemeint. Ung. szekrény „Truhe, Schrank“ wurde erst im 15. Jh. aus dem Franz, entlehnt, (afr. serin). Vgl. hierzu TEtSz I—III sowie Csilléry, A magyar népi lakás­­kultúra. (24) Hierzu detailliert Dám 1986, 244ff., Gunda 1935. (25) Hierzu Csilléry, Ungarische Bauernmöbel 9ff.; Gunda 1979, 289ff. 44 Abb. 4.: Längsschnitt des obigen Hauses

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