Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Gabriella Schubert: Ungarische und türkische Vorbilder in den Wohnkulturen der Balkanvölker
Abb. 1.: Feuerstätte und Rauchabzug in Form eines Baldachins in Nanmavrici (Stammesgebiet Sala/Albanien) (nach Nopcsa 1925) sind; zum einen Teil gehen diese auf ung. szoba, zum anderen auf türk, oda in der Bedeutung „Zimmer“ zurück. Die Bezeichnungen stehen für zwei unterschiedlich geartete Wohnweisen, die sich auf der Balkanhalbinsel angesichts ihrer historisch-politischen Situation verbreiteten. Das Osmanische Reich und sein politisch-militärischer Gegenpol, das Ungarische Königreich bzw. später die Österreichisch-Ungarische Monarchie, beherrschten über viele Jahrhunderte die Balkanhalbinsel, und es ist nahezu obligatorisch, daß die fremden Herren in ihren balkanischen Verwaltungszentren auch ihre eigenen Wohngewohnheiten entfalteten und Nachahmung bei den Einheimischen erregten. Wie immer, übernahmen zunächst die Privilegierten die Wohnsitten der Herren, aber bis zum 18./19. Jahrhundert wurden diese ganz allgemein in der Architektur der Balkanvölker aufgegriffen und mit eigenständigen, tradierten Elementen der Wohnkultur umgestaltet. Mit der Erweiterung des Einraumhauses um einen zweiten Raum entstand die Notwendigkeit, diesen Raum während der kalten Wintermonate zu beheizen. In der östlichen Balkanhälfte wurde in den Häusern begüterter Familien ein Kamin an die Außenwand des Zimmers gelegt — von Istanbul ausgehend haben sich Kamine entlang der ägäisch-ionischen Küstenlandschaften nach dem Balkan und von dort aus weiter nach Europa ausgebreitet(9). Solche waren in Deutschland, Italien und Frankreich schon im 9. Jahrhundert bekannt, und es wird angenommen, daß sie sich über Europa und Asien von zwei Punkten, aus Byzanz und möglicherweise vom Kaukasus her verbreitet haben. In östlichen und südöstlichen Regionen des Balkans haben sie sich auf dem Lande bis zum heutigen Tage erhalten (vgl. dazu Abb. 2). Vielfach haben diese Kamine einen Namen, der türkischen Ursprungs ist; vgl. z. B. búig. odzäk „Kamin“, skr. odzak (im Kosmet, in Bosnien und der Herzegowina), alban. oxhák, gr. to tÇkxi, was auf osm.-türk. ocak „Kamin, Herd“ zurückzuführen ist und darauf hindeutet, daß zum großen Teil die Osmanen den Kamin in diesen Gegenden heimisch machten. Doch die eigentlich bahnbrechende Neuerung im Heizsystem, die mit einer einzigen Heizquelle das Kochen in der Küche und das Beheizen des zweiten Raumes erzielte, kam aus Mitteleuropa, aus Süddeutschland und Norditalien.(10) Hier wurde das neue Koch- und Heizsystem im Mittelalter, im Zusammenhang mit der Erfindung des Kachelofens und der Entdeckung der wärmespeichernden Eigenschaften der Kachel entwickelt. Natürlich baute man dabei auf antiken und altslavischen Erfahrungen auf: auf dem hypocaustumos-Systcm der Römer und der Schwitzstube der alten Ostslaven (vgl. altruss. istobka „Badestube“, die mit ahd. stuba „Zimmer“ und letzten Endes wahrscheinlich auch mit ung. szoba „ds.“ zusammenhängt; dazu weiter unten).(u) Das eigentlich Neue bestand in dem in Süddeutschland und Norditalien entwickelten Koch- und Heizsystem darin, daß der Kachelofen im Wohnzimmer an die Trennwand zwischen Zimmer und Küche gestellt und von der offenen Feuerstelle des Kochund Backherdes der Küche aus beheizt wurde. Damit war zweierlei erreicht: Das Wohnzimmer war warm und rauchfrei, Kochen und Backen hingegen erfolgten in einem abgeschlossenen Arbeitsraum. Solche Koch- und Heizsysteme waren in der dörflichen Wohnkultur Deutschlands bereits im Mittelalter allgemein verbreitet, und das so beheizte Wohnzimmer wurde stuba, stupa genannt. Von Süddeutschland und Norditalien her verbreitete sich diese Neuerung auch in Ungarn, wo Kachelöfen am Königshof, in den Wohnzimmern der ungarischen Magnaten und in Klöstern bereits im 13. und 14. Jahrhundert (9) Vgl. Nopcsa 9Iff. (10) Vgl. in diesem Zusammenhang Nopcsa 76ff., ferner Filep, Die ungarische Haus- und Wohnkultur 237f. (11) Vgl. in diesem Zusammenhang Schubert 1984. 42