Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Eszter Kisbán: Aufhahme des Zuckers in die bäuerliche Nahrungskultur in Ungarn

nationalen Ausgleich der Zuckerperise wurden diese erheb­lich herabgedrückt. Einen Überblick auf lange Sicht haben wir in bezug auf Österreich. Nimmt man den Zuckerpreis von 1914 als Vergleichsindex, so betrug der Preis 1800 das Zweieinhalbfache und in den 1860er Jahren das Andert­halbfache; vorübergehend, im Jahre 1886, fiel der Zucker­preis sogar auf den Stand von 1914 zurück (Sandgruber 1982, 206). Die Kleinhandelpreise des Zuckers mittlerer Güte betrugen in Budapest 1910: 1 kg Hutzucker 85, Würfelzucker 91 Heller; zur selben Zeit kostete 1 kg Honig 1,69 Gulden, 1 Liter Pflaumenschnaps 85, 1 kg ge­­schhälter Hirsebrei 35, Reis 52 Heller, 1 Doppelzentner Weizen 2,31 Gulden, 1 Huhn 1,69, 1 gemästete Gans 9,87 Gulden (Magyar Statisztikai Évkönyv (Ungarisches Sta­tistisches Jahrbuch), Neue Serie 23/1915). Von 1868 an ist die auf Zucker bezogene Verbrauchs­statistik kontinuierlich. Verbrauch von Zucker in Ungarn 1867—1980 (pro Kopf; Haushaltsmundzucker) 1867 1 kg 1868/70 1,17 1871/75 1,69 1876/80 1,87 1881/85 2,34 1886/90 2,48 1891/95 3,40 1896/900 3,62 1896/900 3,86 1901/05 4,67 1906/10 6,23 1911/14 8,04 1921/25 7,22 1926/30 11,29 1931/35 9,92 1936/39 11,45 1960 27 1970 34 1980 38 Quellen: Wiener 1902, 583, 916; Magyar Statisztikai Év­könyv (Ungarisches Statistisches Jahrbuch), Neue Serie 23/1915—46/1938; Lakosság fogyasztása (Konsum der Bevölkerung) 1984,107. Ende des 18. Jahrhunderts gehörten über 4% der Bevöl­kerung dem Adel, 1,5—2% dem Bürgertum an, während die bäuerlichen Schichten — Bauern und unterbäuerliche Schichten in der Landwirtschaft — fast neun Zehntel der Bevölkerung ausmachten. 1890 betrug der Anteil der letzteren 71%, 1910 nur mehr 62%. 1869 stellten die Industriearbeiter, einschließlich Familienmitglieder, 4,8% der Bevölkerung dar; infolge der um 1890 beginnenden schwungvollen Entwicklung der modernen Industrie stieg diese Zahl bis 1910 auf 13% an (Magyar történet 1978— 1980, V. 435—437; 1979 VI. 1010, 1012, 1147; 1978, VII. 480—512). In einem Rückblick um 1900 analysierte Wiener in seiner Monographie über die ungarischen Zuckerindustrie die Periode 1868—1887 und bemerkte u. a. folgendes: „... mit der Vermehrung der Eisenbahnlinien, infolge deren Industrie und Arbeit entstanden, wurde der Gebrauch von Zucker und Kaffee auch in Gegenden eingeführt, wo diese bislang weniger gebräuchlich oder gar unbekannt waren“. Zugleich „betrachtete ein großer Teil des gemeinen Volkes den Zucker als Luxusartikel, besonders der Acker­bauer wußte ihn nicht zu schätzen und ersetzte ihn mit herkömmlichen, billigeren Nahrungsmitteln“. Zu Beginn der darauffolgenden Periode, als der Durchschnittsverbrauch in den Jahren 1890—1895 wesentlich emporschnellte, bezeichnete Wiener als einen wesentlichen Faktor auch den Umstand, daß infolge der neuen Welle von Fabrik­gründungen „der örtliche Zuckerkonsum in der Umgegend der Fabriken erheblich zugenommen hat“. In den Jahren 1895—1900 waren die Zuckerpreise niedriger als je zuvor, dennoch war nur ein bescheidener Anstieg des Konsums zu verzeichnen. Laut Ansicht der Zeitgenossen „kann die Fluktuation der Preise deshalb nicht zum Ausdruck kom­men, weil sich der Zuckerverbrauch bei den niederen Schichten der ärmeren Landbevölkerung noch nicht einge­bürgert hat, während die Stadtbevölkerung auch vor höheren Preisen nicht zurückscheut, soweit es ihre mate­riellen Verhältnisse zulassen“ (1902, 576, 833, 903). In der Ernährungs-Statistik von Károly Keleti, Leiter des ungarischen Amtes für Statistik, würbe bei den Durchschnittsberechnung der Zuckerverbrauch des ganzen Landes nur mit der Zahl der Stadtbevölkerung dividiert, mit der Begründung, daß die Importgewürze, der Kaffee, die Südfrüchte ebenso wie auch der Zucker noch immer „eigentlich Luxus-Artikel sind, ohne welche das Landvolk ganz gut leben kann, während dieselben bei einem großen Theile der Stadtbevölkerung zum unentbehrlichen Bedürf­nis geworden sind“. (Die den Zucker gebrauchenden länd­lichen Oberschichten und die den Zucker nicht gebrau­chenden städtischen Unterschichten sollten einander bei der Berechnung kompensieren.) Auf diese Weise berechnete Keleti für die Stadtbevölkerung im Jahresschnitt einen Prokopf-Zuckerverbrauch von 20,11 kg (1887, 141—142). Für die Keleti ’-sehe Statis, ik erfolgte die Daten­erhebung an Ort und Stelle, bis zu den kleinen Dorfgruppen aufgeschlüsselt. Die Ortsbewohner wurden nach den Speisen der einzelnen Tagesmahlzeiten befragt. Nur in einem ein­zigen Komitat, dem mit Niederösterreich benachbarten Komitat Sopron, erwähnt Keleti in den Dörfern Zuckerkonsum, verbunden mit Kaffee. Aus anderen Quel­len wissen wir, daß allenfalls der gezuckerte Kaffee damals bei den Bauern nur in der Speisenfolge von Festmahlen vorkam (1887, 57; Kisbán 1987a). In den wohl ernährten Gemeinden der Zips, in den Nördlichen Karpaten, gab es zum Frühstück über das ganze Jahr Kaffee, Milch, Quark, Speck, Schnaps, Brot. Zucker zum Kaffee wird hier von Keleti nicht eigens erwähnt, ist aber anzunehmen, zumal diese Gegend mit ihrer Leinweberei im damaligen Ungarn als eine klassische Region der Frühindustrialisie­rung galt (1887, 64). In den Familien der in der modernen Fabrikindustrie beschäftigten ständige Arbeiter war der Zucker in den 1880er Jahren in der Stadt ein ständiger Verbrauchsartikel, wie dies in einer Soziographie über die Schiffswert von Buda­­pest-Öbuda (1888) steht. Demnach haben die Familien der Werftarbeiter wöchentlich regelmäßig 0,5—1 kg Zucker 281

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