Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Eszter Kisbán: Aufhahme des Zuckers in die bäuerliche Nahrungskultur in Ungarn
gekauft, der jährliche Durchschnittskonsum dürfte bis zu 10 kg pro Kopf betragen haben. Ein beachtlicher Teil dieser Menge wurde im alltäglichen Frühstückskaifee der Frauen und Kinder verzehrt. In den 1900er Jahren tranken auch die Männer gezuckerten Kaffee und nahmen ihn zur Jause in die Fabrik mit, wie etwa in den Eisenwerk Miskolc—Diósgyőr (Somogyi 1888, 89—92; Kisbán 1987b). In sieben Gemeinden des bereits erwähnten Komitats Sopron wurde 1938 eine örtliche Statistik zusammengestellt, demnach betrug der Durchschnitt des jährlichen Zuckerkonsums 4 kg/Kopf, mit Extremwerten von 6 bzw. 1,6 Kg. Die in den späten 1950er Jahren befragten Bauern derselben Gegend erinnerten sich in bezug auf die Jahre 1900—1939 auf Durchschnittswerte von 3,25—8,6 kg bei den Familien mittleren Wohlstandes; dies ergab sich daraus, daß Familien von 6—8 Mitgliedern monatlich 0,5—1 kg Zucker zu kaufen pflegten (Soproni 1940,202; Kisbán, 1960, 43). Im Dorf Csököly (Komitat Somogy, Süd-Transdanubien) wurde laut Rückerinnerungen in den Jahren 1900— 1939 Zucker für Sonn- und Feiertage gekauft; gelegentlich wurden kleine Mädchen dafür ins Geschäft geschickt, mit Kleingeld oder Eiern als Tauschware. Zwischen den beiden Weltkriegen wurde wöchentlich ein Viertel Kilo Zucker fürs „Gebäck“ gekauft; eine Familie von 4—5 Mitgliedern verzehrte jährlich 8—10 kg, eine von 7—8 Mitgliedern 12—13 Kg Zucker, im Durchschnitt also 1,5—2—5 kg/ Kopf (Knézy 1977, 69). Allerdings sind diese, an jahrelange Routine erinnernden Durchschnittswerte mit dem größeren Zuckerverbrauch der großen Familien- und Kalenderfeste sowie der Zubereitung (mit Zucker) von Obstmus und Dunstobst zu erhöhen, die seit den 1920er Jahren an Bedeutung ständig zunahm. Das 1920er Jahrzehnt war das letzte, da die kleinen Dorfgeschäfte noch Hutzucker verkauften. Zucker bei den Bauern Mit Zucker bestreute Breie und herkömmliche Gebäcke an Bauernfesten. Günter Wiegelmann legte unlängst eine neue Deutung jener Breie vor, die auf dem berühmten Gemälde „Bauernhochzeit“ von Pieter Bruegel d. Ä. (1568) in zwei verschiedenen Farben — gelb und weiß — aufgetischt werden. Er meint, in der Mehrheit der Einzelteller befände sich mit braunem Zucker bestreuter Hirsebrei für die bäuerlichen Gäste, während der weiße Brei in zwei Tellern „mit weißem Zucker gekochter Reisbrei“ für den Mönch und den Ritter sein könnte (1986, 140). (Laut früherer Interpretierung sollten die gelben Breie mit Safran gefärbt sein, für die wenigeren weißen gab es keine Erklärung (Demus o. J.).) Um diese Zeit war der Zucker an den höchsten Festen der niederländischen Bauern, in der unmittelbaren Nähe des Zentrums des europäischen Zuckerhandels, durchaus vorstellbar. In bezug auf die folgenden anderthalb Jahrhunderte fand Wiegelmann zwei Beschreibungen in Mitteleuropa über den festtäglichen, mit Zucker bestreuten Brei deutscher Bauern. 1682 erwähnt ein Diäteticon in dieser Funktion einen in Milch gekochten Hirsebrei, „mit rotem Zucker bestreut“, während 1735 Z e d 1 e r s Universallexikon behauptet, der Hirsebrei pflegt „der Bauern beste Speise zu sein, bei ihren Hochzeiten und Kindtaufen mit rotem Zucker oder Pfefferkuchen bestreut“ (Wiegelmann 1986, 140). Berichte über die Festspeisen der Bauern gab es in Ungarn erst seit Ende des 18. Jahrhunderts. Immerhin existiert eine Verrechnung aus dem Jahre 1618 über verbrauchte Lebensmittel, als im Zusammenhang mit einer hochadeligen Hochzeit an anderen Schauplätzen gewisse Untertanen vermutlich bäuerlichen Standes bewirtet wurden. Erhalten blieb die Gewürzverrechnung, und da auch der Reis dazu gehörte, wurden auch die übrige Breisorten hier angeführt. Verbraucht wurde Pfeffer 2 Pfund Safran 6 Lot Reis 10 Pfund Gerstenbrei 1 cubulus (1X83/118 Liter) Hirse 6 cubulus (6X83/118 Liter) Der Pfeffer wurde zu Fleischgerichten benutzt, das Fleisch aber an anderer Stelle verrechnet. Bemerkenswert ist die Proportion der Breisorten (auf der oberschichtlichen Tafel hatte damals der Gerstenbrei in Ungarn einen höheren Stellenwert als die Hirse). Gezuckert wurde jedenfalls kein Brei der Bauern (Radvánszky 1879, 66). Was die eigenen Feste der Bauern betrifft, gibt es kaum primäre Quellen über den Zuckerverbrauch früherer Zeiten. In der medizinischen Topographie des Komitates Baranya (Südungarn) erwähnt der Verfasser, ein Amtsoberarzt, im Jahre 1845 den Zucker nur in einer kurzen Aufzählung von Speisen und Nahrungsmitteln der Bauern: die Gewürze des ungarischen Bauern bestehen aus Salz, Paprika, Pfeffer und heute bereits auch aus Zucker“. Keine der geschilderten Alltagsspeisen ist gezuckert und somit konnte der Zucker nur in Festspeisen benutzt worden sein, die aber nicht genannt werden (Hölbling 1845, 90—91). Der namhafte Ethnologe Antal R e g u 1 y notierte im Jahre 1857 in seinem Tagebuch mit besonderem Nachdruck, daß die Bauern im Komitat Nógrád (südliches Oberungarn) eine Art von Krapfen (Hobelspan) „mit Zucker bestreut essen“ (1857/1975, 112). Der Hobelspan galt als Festtagsgebäck und wurde im Laufe des Jahres ganz selten oder gar nur zum Fasching gebacken. Auf dem Hobelspan und dem Krapfen (beide schwimmend in Fett gebackenes Gebäck) bleibt der daraufgestreute Zucker deutlich sichtbar, wodurch neben dem bekömmlichen Geschmack auch der Anblick durchaus attraktiv ist. Der obige Fall dürfte wohl kaum einzigartig gewesen sein, denn auch eine frühe sekundäre Quelle aus einer anderen Gegend berichtet von Krapfen, mit Zucker bestreut. In eine handgeschriebene Liedersammlung der Tiefebene wurde um 1813/15 ein mahnendes Hochzeitslied eingeführt (Lerne, Frau, deinen Mann zu schätzen); eine seiner Strophen lautete wie folgt : Gebackene Kürbis und Mais für dich selbst behalte, Aus reinem Mehl du Krapfen für deinen Gatten backe, Bestreue sie mit Zuckerlein Und Weinbeeren, gar winzig klein ! Die Erwähnung der Maisspeise läßt vermuten, daß die Belehrung an junge Bäuerinnen gerichtet ist (Stoll 1963, 640). 282