Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Eszter Kisbán: Aufhahme des Zuckers in die bäuerliche Nahrungskultur in Ungarn

da in 22 Rezepten Honig und/oder Zucker gemeinsam Vor­kommen. Während also ein Jahrhundert früher für die fürstliche Küche Zucker und Honig im Verhältnis von 3: 2 vorgesehen war, wurde Ende des 17. Jahrhunderts für den Landadel nur das Verhältnis von 2: 3 (zugunsten des Honigs) für realistisch gehalten. Im Kochbuch wird der Reisbrei mit Fleisch ohne Versüßung, der Milchreis mit Zucker und Ingwer bestreut angeführt. Die verschiedenen Arten von Hirsebrei werden nicht versüßt, der gewöhnliche, in Wasser oder Milch gekochte Hirsebrei wird mit Butter „gewürzt“. Im Kochbuch ist auch ein Marzipan-Rezept enthalten. In Siebenbürgen, wo auch dieses Kochbuch herausgege­ben wurde, können wir aus Zeugenaussagen auch über die Verhältnisse einer niedrigeren Gesellschaftschicht einiges erfahren. Im Jahre 1631 in der Stadt Marosvásárhely hat die Frau eines armen Dreschers ihrem Liebhaber kostbare gewürzte Fleischgerichte sowie mit Zucker und Ingwer bestreuten Reisbrei zubereitet, ihrem armseligen Mann aber, als dieser vom Drusch heimkehrte, nur Brotbrei mit ge­röstetem Zwiebeln aufgetischt. Die Speisen wurden offenbar von mehreren Zeugen deshalb ausführlich geschildert, weil das Ausschließen des Ehegatten aus dem guten Essen in ihrer Wertordnung schwerer wog als selbst der Ehebruch, wie dies später aus der bäuerlichen Auffassung wohlbekannt wurde (Vigh 1980, 106—108). Der Zucker kam auch bei den gemeinsamen Festlichkei­ten der städtischen Handwerker vor, allerdings nicht sehr oft. Aus der Zeit vom späten 16. bis zum frühen 18. Jahr­hundert sind uns aus Ungarn über zehn Speiseordnungen bekannt, wo die Gerichte des Festessens vorgeschrieben sind, welches der neue Meister nach bestandener Meister­prüfung den Zunftmeistern zu geben hatte. In diesen Speise­ordnungen waren freilich keine Rezepte angegeben, sondern nur die Speisen genannt. Ab und zu wurde zwar die Bedeu­tung der Gewürze betont, der Zucker aber nur selten er­wähnt. Bei diesen Festessen wurde zum Nachtisch nur höchst selten Brei serviert, um so häufiger Gebäck. Mit Fleisch zubereitet, stand der Brei in der Speisenfolge weiter vorne. In Kenntnis des Kochbuches aus dem Jahre 1695 ist es unwahrscheinlich, daß der Brei mit Fleisch bei den Handwerkern gezuckert worden wäre. Sie hätten ja Zucker zu dem mit Rosinen oder Reis gefüllten Gebäck benutzen können, doch wurde dies nie als Erfordernis erwähnt. Drei Zunftordnungen sind erhalten geblieben, in denen süßer Reisbrei vorgeschrieben ist, alle drei von Knopf­macherzünften verschiedenen Standortes. Bekanntlich haben örtliche Organisationen die Zunftordnungen einander oft ausgeliehen, in diesem Falle geht es aber um etwas anderes. In der Zunftordung der Knopfmacher der Stadt Léva aus dem Jahre 1701 wird ein Festmahl mit 12 Gängen vorgeschrieben, wobei das 11. Gericht (vor dem Obst) der mit Zucker und Ingwer bestreute Milchreiszu sein hat. Ein ebensolcher süßer Milchreis wurde auch in der Stadt Eper­jes im Jahre 1634 verordnet (Csaplovics 1823, 68). In der Stadt Debrecen einigten sich die Knopfmacher in einem Menü mit 5 Gängen, das vorletzte, vierte Gericht — eben­falls vor dem Obst — sollte wiederum Milchreis sein, mit Zucker bestreut (Varga 1984, 175). In der ausgesprochen agrarischen königlichen Freistadt Szeged beschaffte der Stadtrat zum Festmahl anläßlich des Kirchtages 1748 zwei Hut Zucker (Bálint 1977—1979, II. 177). Bei den Zuckereinkaufen ungarischer Magnaten kostete in Wien im angehenden 17. Jahrhundert 1 Pfund Zucker im Durchschnitt 65 Denar (Radvánszky 1879, 57—66); zur gleichen Zeit betrug in der ungarischen Agrarstadt Kecske­mét der Kaufpreis von 1 Pfund Speck 5, von einem Schwein 50—60 und der Taglohn von einem Schnitter 20 Denar. (Hornyik 1861,76). 1720/30 kostete in Szeged 1 Pfund Zuk­­ker 42—70, eine Gans 20 Denar und ein Kalb 3 Gulden (Reizner 1900, 503—504). Die neue Formen der Verschwendung von Süßwaren, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in den höfischen Kreisen Frankreichs entstanden (Wiegelmann, 1986, 142—145), erreichten nacheinander die Oberschichten in Ungarn seit dem späten 17. Jahrhundert und erlangten bis Ende des 18. Jahrhunderts auch eine Breitenwirkung. Um 1700 waren Schokolade, Kaffee und Tee — alle mit Zucker — in höheren Adelskreisen schon durchweg ge­bräuchlich. Um 1800 erreichte der Kaffee auch die Klein­bürger und die Stadtarbeiter (Kisbán 1987a; Kisbán 1987b). Da seit 1695 kein neues Kochbuch gedruckt wur­de, erschienen um 1800 neue Publikationen — Kochbücher und Rezeptsammlungen für Landadel und das Bürgertum, alle besonders den neuen süßen Gebäcken gewidmet (Gundel 1943, 358—362; Veres 1796; Kochbuch 1801). Seit ungefähr 1700 wurde in den Oberschichten süßer Liqueur (Rosolio) und Limonade getrunken; um 1800 waren schon beliebte Getränke in größeren Städten. Im späten 18. Jahrhundert war das Speiseeis sowohl beim Landadel als auch in der Hauptstadt allgemein gebräuch­lich (TESZ; Gvadányi 1790, 57, 106). Laut Schätzungen des Wiener Staatsrates wurde 1768 in Ungarn und im Banat insgesamt ebensoviel Zucker verzehrt wie in Wien allein. Um 1818 wurde in der Monarchie noch immer so gerechnet — sowohl in den deutschen wie in den ungarischen Ländern —, daß „das gemeine Volk größten­teils keinen Zucker verzehre“ (Sandgruber 1982, 206—207). In Cisleithanien entwickelte sich der durchschnittliche Zuckerkonsum viel schneller als in Ungarn, mit folgender Steigerung des Jahresprokopfkonsums: 1780 0,15 kg, 1800 0,4 kg, 1830 1 kg, 1850 2,5 kg (Sandgruber 1982, 197), während in Ungarn laut zeitgenössischen Schätzungen bzgl. der Jahre 1830/50 der Jahresschnitt 0,5 kg betrug (Wiener 1902, 155—156, 321—325). Obwohl uns Zahlen nicht bekannt sind, ist auch in Ungarn seit den 1780er Jahren ein Anstieg des Zuckerkonsums zu beobachten, der aber noch den einschlägigen Wachstumsraten der Hauptkonsumenten, d. h. der Ober- und Mittelschichten zuzuschreiben ist. Rübenzucker In Ungarn begann die Produktion des Rübenzuckers im Jahre 1831 und wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten fortlaufend weiterentwickelt. Nach 1848 war nur mehr der Rübenzucker ein beachtenswerter Faktor des inländischen Konsums. Seit den 1860er Jahren auch im Export tätig, galt die Zuckerindustrie im angehenden 20. Jahrhundert durch ihre Ausfuhren als ein Stützpfeiler der Volkswirt­schaft. Durch die inländishe Entwicklung und den inter­280

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