Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Eszter Kisbán: Aufhahme des Zuckers in die bäuerliche Nahrungskultur in Ungarn

AUFNAHME DES ZUCKERS IN DIE BÄUERLICHE NAHRUNGSKULTUR IN UNGARN Im Spätmittelalter, als das Zentrum des Zuckerhandels in Norditalien war, hatte Ungarn günstige Möglichkeiten zur Beschaffung des Zuckers. Im 15. Jahrhundert änderte sich aber diese Situation, nachdem die Zuckerrohrproduktion westwärts, nach Madeira, San Tomé und auf andere Inseln verlegt wurde. Der in der frühen Neuzeit aus Amerika kommende Rohrzucker traf in nordwesteuropäische Häfen ein und alsbald wurde Hamburg Ungarns größter Zucker­versorger. Bis zur Entwicklung der einheimischen Rüben­zuckerproduktion blieb diese Situation im wesentlichen unverändert (Mauruschat 1975, 30—36, 98—101, 143— 146; Lippmann 1970, 553, 625, 560; Wiener 1902, 6, 129). Zucker in der sozialen Umwelt der Bauern Im Jahre 1476, bei der Hochzeit des Ungarnkönigs Matthias Corvinus und der Prinzessin Beatrix von Neapel, konnte man in Buda als absolute Luxus das Meisterwerk italienischer Zuckerbäcker, das aus Zucker errichtete Schau­konfekt, besichtigen; im 16.—17. Jahrhundert war aber der Zuckerkonsum nicht einmal in höheren Adelskreisen be­sonders hoch (Wiener 1902, 6). Auf das angehende 15. Jahrhundert, d. h. auf die Zeit vor dem Aufkommen des Madeirazuckers, schätzte der Wirtschaftshistoriker Hans Mauruschat den euro­päischen Prokopf-Konsum von Zucker und Pfeffer im Jahresschnitt gleichermaßen auf 20—25 Gramm. In der Stadt Köln wurde im Durchschnitt der Jahre 1491—95 100 gr Pfeffer und 180 gr Zucker konsumiert (1975, 64— 65). Dieses Verhältnis von Zucker und Pfeffer wurde in Ungarn noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht einmal von einer der reichsten Adelsfamilien erreicht: In der Fa­milie des Grafen György Thurzó, der alsbald Palatin (höchster politischer Würdenträger) wurde, fand im Jahre 1603 eine Hochzeit statt; aus diesem Anlaß wurde neben das unlängst errichtete Renaissance-Schloß ein eigener Palast für die Mahlzeiten gebaut, zu deren Zubereitung neben den herrschaftseigenen Köchen noch 20 Gastköche eingesetzt wurden. Im Laufe der mehrtägigen Festlichkeiten wurden 32 Pfund Zucker und 40 Pfund Pfeffer verbraucht (Radvánszky 1879, 57—59). Günter Wiegelmann errechnete in deutschen Kochbüchern, daß in der herrschaftlichen Küche des 14.—16. Jahrhunderts das „Zugemüse“ bis zu einem Drittel gesüßt war. Im Spätmittelalter gebrauchte man zum Süßen etwa in gleichen Maßen Honig wie Zucker. Im Kochbuch von Marx R u m p o 11 kommt aber 1581 in jeder Süß­speise schon nur Zucker vor (Wiegelmann 1986, 137—138). Letzteres galt in Mitteleuropa als maßgebende, repräsenta­tive höfische Kochbuch. Das handgeschriebene Kochbuch des siebenbürgischen Fürstenhofes (um 1600) weist enge Beziehungen zu Rumpolts Werken auf, wiewohl die Art dieser Beziehungen noch nicht klargestellt sind (Radvánszky 1893, 7—252; Rumpolt 1581a; Rumpolt 1581b). Das ungarische Kochbuch geht mit dem Zucker viel behutsamer um. Es beanstandet wiederholt, daß der Zucker „hier, in unserem Lande“ als teuer, als Verschwendung angesehen und selbst in solchen Speisen mit Honig ersetzt wird, die ausschließlich für die fürstliche Tafel bestimmt sind. Laut dem — nicht lückenlosen — Index des Herausgebers be­nützte dieses Kochbuch Zucker bzw. Honig in einem Ver­hältnis von 3: 2. Zucker kam in Fleisch- und Fischgerich­ten, Milch-, Eier- und Fruchtspeisen, in Brei- und Krapfen­sorten sowie im Gebäck gleichermaßen vor. Der mit Milch zubereitete Reisbrei wurde mit Zucker und Ingwer bestreut, ebenso auch der Fleischbrei. Hingegen war keine der sechs verschiedenen Hirsebreiarten gezuckert, ja, nicht einmal süß. Zu dem in Wasser gekochten, gebutterten Hirsebrei wird angemerkt, daß der Brei bekanntlich das letzte Ge­richt des Hochzeitsmahles ist, und daß der Butterbrei auch von hohen Herrschaften hochgeschätzt wird (Radvánszky 1893, 211, 188, 18, 240). Das erste gedruckte ungarische Kochbuch ist im Jahre 1695 erschienen, bestimmt für den bescheideneren Haushalt des Landadels, wo sich keine gelernte Köche betätigten und man sich mit 2—3 Gerichten pro Mahlzeit begnügte (Tótfalusi-Kochbuch, 1695, A 2). Es enthält 293 Rezepte, davon 48 (16%) mit Zucker und 71 (24%) mit Honig. Allerdings sind nur 97 (33%) sämtlicher Speisen gesüßt, 279

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