Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Gyula Viga: Spezifische Geräte zur Zubereitung der Schneckennudeln bei den Ungarn

Abb. 8.: Spindeln aus Metall (Sammlung des Ethnographischen Museums, Budapest) Für die Spindel wurde oft im Schneckenmacher selbst ein angemessener Platz gemacht: man bohrte z. B. ein Loch in die „Sohle“ des Gerätes und steckte die Spindel hinein. Der Schneckenmacher war gewöhnlich im Schubladen des Küchentisches, eines Schrankes oder Kastens (auch in der Stube) untergebracht. In Tiszaigar und Umgebung steckte man ihn in die Ecke des an der Stubenwand hän­genden Bildes oder Spiegels (Bakó 1954, 248). Aufgrund seiner angeführten Sammlung meint Bakó, mit diesem Gerät sei möglicherweise eine „heute bereits im Dunkel der Vergangenheit verschwindende, magische Vorstellung“ verknüpft gewesen, denn beim Schnecken­machen warnte eine ältere Frau das eine Mädchen, es solle seinen Schneckenmacher nicht aus der Hand geben, da dieser von Fremden verhext werden könnte (1954, 248). Ich bin der Ansicht, daß sich das angeführte Beispiel nicht auf eine, mit diesem Gerät zusammenhängende Magie bezieht, sondern Teil jener allgemeinen Tradition ist, wonach der Bauer seine Arbeitsgeräte, insbesondere die Requisiten zur Zubereitung von Nahrungsmitteln, nur ungern aus der Hand gab. An Stelle einer Zusamenfassung Die kurze Besprechung der Formen und Typen der Schneckenmacher verweist noch auf mehrere, auch für unser Gerät wesentliche Beziehungen. Vor allem darauf, daß die Dekoration und die sorgfältige Bearbeitung derjjklei­­nen Geräte schon an sich ihre außergewöhnliche Rolle andeuten, namentlich ihre Funktion als Ziergegenstand und Geschenk. Beachtet man noch obendrein, daß die aus Holz, besonders aber aus Keramik und Gußkupfer hergestellten Stücke — wegen der Qualität ihrer Rieten — zur Zubereitung der Nudeln nur kaum, bzw. oft nur zur Verrichtung minderwertiger Arbeiten geeignet sind,(6) so besteht die Wahrscheinlichkeit, daß diese verzierten Geräte vor allem eine „gesellschaftliche“ Funktion hatten — ne­ben den einfachen Rieten aus Schilfrohr. Sie waren an erster Stelle Liebesgaben, wie dies durch die Anordnung der Orna­mente, durch die Texte, Zeichen, Monogramme und Jahres­zahlen betont wird. Die aus Holz, Keramik, Metall, Horn usw. angefertigten Stücke integrierten sich nur in kleinen Umkreisen, von ört­lichem Geschmack motiviert und nur lokal verbreitet in die Gesamtheit der rietenartigen Geräte, die in der östlichen Hälfte des heutigen Ungarn allgemein gebräuchlich sind. Die örtlichen Formen blieben gewöhnlich innerhalb der Grenzen einer Kleinregion und gelangten nicht in andere Regionen, wiewohl ihre Hersteller sie auf Märkten und hausierend verwerteten. Mit Hinblick auf das Verbreitungsgebiet unseres Gerätes, auf die Fundorte und die Datierung der vorhandenen Stücke sowie auf die wortgeographischen Angaben müssen wir die grundlegenden Fragen der Entwicklung und der Geschichte dieses Types zu beantworten versuchen, selbst wenn jene nicht eindeutig bestimmt werden können. Die frühesten bekannten Stücke sowie die Streuung des Sammelgutes lassen die Vermutung zu, daß unser Gerät bereits im letzten Drittel des 18. Jh.-s in Debrecen, vielleicht sogar auch in der unmittelbaren Umgegend, bekannt war (Abb. 9—10). Es ist gewiß auch kein Zufall, daß das eben­falls anscheinend frühe Stück aus Kecskemét gleichfalls aus einem verbürgerlichten, städtischen Milieu stammt. Hier sind wir nun zur Frage des Ursprungs angelangt, können aber leider nur alternative Lösungen anbieten. Es wäre ja in der Tat sehr einfach und logisch zu behaupten, daß das früheste Gerät des Schneckenmachens der Weber­kamm war und daß die Handwerker später aus diesem „Einfall“ die eigenartigen Spezialformen entwickelt ha­ben. Dem widerspricht aber ganz entschieden der Umstand, daß diese anspruchsvolle, mit vielen Eiern zubereitete Teig­sorte im 18.Jh. oder gar noch früher wohl kaum ein Be­standteil der bäuerlichen Nahrung gewesen sein konnte. Wahrscheinlicher scheint vielmehr, daß die Zubereitung von adelig-bürgerlichem Milieu herrührt und dazu gewiß schon zu sehr früher Zeit ein Spezialgerät zur Verfügung stand. Zur Zubereitung dieser Teigsorte ist auch ein Gerät geeignet, welches im bäuerlichen Haushalt schon seit langer Zeit vorhanden ist: der Weberkamm. Dadurch konnte, vor allem seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts, mit dem steigenden NiveaudesLebensstandards und der bäuerlichen (6) Darauf hat bereits István E c s e d i unsere Aufmerksamkeit gelenkt (1935, 46). Auch Klára C s i 11 é r y verweist darauf und stellt im Zusammenhang mit den Liebesgaben fest, durch übermäßige Dekoration werde häufig der ursprüng­liche, funktionelle Wert des Gegenstandes vermindert (1976, 121). 268

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