Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Gyula Viga: Spezifische Geräte zur Zubereitung der Schneckennudeln bei den Ungarn
Abb. 1.: Prinzipskizze des Schneckenmachens (nach István Ecsedi) Die zur Benennung des Schneckennudel-Typs gebrauchten Ausdrücke lassen drei Verbreitungsbereiche deutlich erkennen. 1. In der Großen Ungarischen Tiefebene und im östlichen Teil des Landes (Kom. Békés, Gebiete Nagykunság, Kiskunság, Hajdúság, Nyírség) ist der Name csiga allgemein gebräuchlich (Hegyi 1964, 375; ÚMTSZ. I, 821; Trencsény 1894, 256), dem sich unmittelbar die Wörter der siebenbürgischen Volkssprache anschließen: csigafalatka, csigamakaróni (Déva, Marosvásárhely), csigás (Kom. Torda- Arad, Nyárszó) sowie der Ausdruck csigametéltke aus der Zempléner Volkssprache (ÚMTSZ. I. 821; Szabó, T. 1978, 122—123). 2. Am Westrand der Tiefebene tritt an Stelle von csiga der Ausdruck lúdgége, der in Transdanubien allgemein verbreitet ist, vereinzelt aber hier und da auch im Tiefland auftaucht (Szeged, Hajdúhadház) (Bálint 1957, II, 64; Trencsény 1894, 256). Westlich der Linie Cegléd—Nagykőrös—Kecskemét—Kiskunhalas—Baja ist lúdgége schon am linken Donauufer bekannt (frdl. Mitteilung von Vera Nagy Varga, László N o v á k, István S z t r i n k ó und Géza Bodor), wie übrigens in ganz Transdanubien; auch die Ungarn der mit Transdanubien benachbarten slowakischen Gebiete benützen diesen Ausdruck (Tolnai 1935, 128; frdl. Mitteilung von László Lukács und József L i s z k a). 3. Im Nördlichen Mittelgebirge, namentlich in den Gebieten der Palozen, hieß diese Nudelsorte bordás tészta, bordás csík, bordás haluska (Istvánffy 1894, 41; 1898, 310; Bakó 1955, 359; MNL, I, 500). Die Wörter ersetzen bei den Palozen des Bükk Gebirges die im Tal der Sajó, Bódva und Hernád sowie im Nordosten allgemeine Form csiga. Die terminologische Differenz — vor allem der gleichzeitige Gebrauch von csiga und lúdgége — zeichnet sich bereits in der Literatur und den Wörterbüchern früherer Zeiten ab. In den Wörterbüchern von Mór B a 11 a g i (1873, II, 202), Czuczor—Fogarasi (1865, III, 1568) sowie im Werk von József S z i n n y e i (1893—96, 1, 1368) wird der Ausdruck bei lúdgége erwähnt. Im letzteren wird angedeutet, daß sich diese Form im Komitat Vas, auf der Großen Schüttinsel, in Tata (Kom. Komárom), in Kecskemét sowie in den Komitaten Abaúj und Zemplén verbreitet hat. In seiner Monographie über die Volksnahrung östlich der Theiß schreibt István Ecsedi: „Die Königin der langgestreckten Mehlspeisen ist die Schnecke (csiga), neuerdings sehr unrichtigerweise Gänsehals (lúdgége) genannt.“ (1935, 35.) Neben einer Bezugnahme auf die lexikalische Literatur zitiert Vilmos Tolnai in seiner Rezension den großen Dichter Mihály Csokonai Vitéz, der in seiner „Dorothee“ (Dorottya, 1799) das Wort lúdgége benützt und dieses in seinen Anmerkungen selber erklärt: „Lúdgége wird an beiden Ufern der Donau jene Teigsorte genannt, die entlang der Theiß csiga heißt.“ (1935, 128.) Auch Károly Eötvös deutet ganz genau auf diesen regionalen Unterschied hin (1901): „...in der herrlichen Fleischsuppe gab es solche Nudeln, die die Hausfrau im Tiefland csiga, in Transdanubien hingegen lúdgége nennt.“ (MNYÉSZ, IV, 866—867.) Die vorangehend erörterten wortgeographischen Unterschiede bestimmen auch die Terminologie des Gerätes, welches zur Zubereitung der besagten Teigsorte dient: Während in der östlichen Hälfte des Landes Ausdrücke wie csigacsináló borda, csigacsapó (Debrecen), csigapenderítő (östlich der Theiß), csigasodró (Siebenbürgen), csigafa (Bükk Gebrige) bekannt sind (ÚMTSZ, I, 820—821; Szabó, T. 1978, 124), heißt das Gerät im westlichen Landesteil etwa lúdgége csináló (Enying), lúdgégeborda usw. (Bálint 1957, IL 64; frdl. Mitteilung von László Lukács). Ein eigenartiges Zusammentreffen der wortgeographischen und sachgeschichtlichen Angaben: Während im Verbreitungsareal des Wortes csiga die Zubereitung dieser Teigsorte als allgemein zu bezeichnen ist und auf einer wechselvolleren Gerätekultur beruht (s. unten), ist dieses Erzeugnis im lúdgége-Gebiet nur geringfügig verbreitet und in umfangreichen Regionen sogar unbekannt; auch zur Herstellung dienen nur Stücke eines einfachen Weberkammes. Schon das abwechslungsreichere Namensgut im östlichen Teil des Sprachgebietes scheint einen früheren Ursprung zu bestätigen, zusammen mit dem in der ungarischen Sprache allgemein gebräuchlichen Wort csiga, welches mehrere Bedeutungen hat, aber von einem frühen Stammwort herrührt (TESZ, I, 521). Es stehen uns zwar keine frühen sprachgeschichtlichen Angaben zur Verfügung, doch weist heute gar nichts darauf hin, daß die Form lúdgége eine frühere gewesen wäre oder vor ihr ein anderer Ausdruck zur Bezeichnung dieser Teigsorte gedient hätte. Offenbar müssen wir an eine selbständige Wortentwicklung denken, doch dürfen wir im Hintergrund derselben die in Richtung Ost-West erfolgte Verbreitung eines Gerätes und der damit zubereiteten Speise vermuten, ausgehend aus den „Mehlspeisen-Regionen“ der Großen Ungarischen Tiefebene. Verbreitung der Schneckennudel Die Erforschung der ungarischen Volksnahrung ist heute noch die kartographische Aufarbeitung der Typen gewisser Mehlspeisen, darunter der gekneteten Teigsorten, 258