Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Tamás Hoffmann: Karre, Wagen, Kutsche

KARRE, WAGEN, KUTSCHE Anmerkungen zum Ortsnamen Kocs,* Geburtsort von Zsigmond Bátky Eine der wichtigsten Erfindungen der technischen Revo­lution des Mittelalters ist mit der wirtschaftlicheren Nutz­barmachung der Zugkraft der Arbeitstiere verbunden. Vom 10. Jahrhundert an pflügt man in einigen Regionen (vor allem in den flachen Gegenden Nord-West-Europas) statt mit dem Ochsen, mit dem Pferd, und das Pferd wird vor den Wagen gespannt. Das Wesen der Erneuerung liegt in der Art und Weise der Bespannung. Bis dahin wurden die Pferde in eine Vorrichtung eingeschirrt, die der Anatomie der Ochsen angepaßt war. Sie wurden also ins Joch ge­spannt. Aber das Halsjoch behindert das Pferd beim Atem­holen, deshalb versucht es seinen Kopf zu heben, und es kann nicht mit voller Kraft vorankommen. Um die Last besser zu verteilen, werden mehrere Pferde nebeneinander eingespannt, manchmal unbegründet viele, sogar vor die zweirädrigen Karren, zum Beispiel vor die römische Quadriga vier. Das ändert aber nicht viel an der Tatsache, daß die Zugkraft der Pferde so nicht zweckmäßig genutzt werden kann. Die Situation in Europa hat sich also vom Bronzezeitalter bis zum 10. Jahrhundert nicht geändert, die Last wird mit dem Ochsengespann gezogen, die Toten und die Nobilitäten werden auf Festzügen in Pferdewagen befördert, die Soldaten eines Ranges paradieren auf den Pferderücken. Der Ochse ist ein Arbeitstier, und das Pferd gehört zu der Ausstattung der gesellschafltichen Ungleich­heit, der Kriege, der Triumphzüge und der Beisetzungen. Es diente hauptsächlich zur Repräsentation. Diese Situation änderte sich mit der Einführung von Erfindungen asiatischer Herkuft: Der Steigbügel, der Sattel sowie das dem anato­mischen Aufbau der Pferde angepaßte Brustblatt wurden zum Reiten, bzw. für die Bespannung angewandt.f1) Die älteste bisher bekannte Angabe über den Steigbügel ist eine indische Statue aus dem 2. Jahrhundert v. Ch. Diese Ausrüstung war aber noch nicht geeignet, um die Beine des Reiters festzuhalten; Steigbügel solcher Art wurde nur in China seit dem 5. Jahrhundert benützt. Die mittelasiatischen Nomaden übernahmen ihn von den Chinesen; im Altai- Gebirge wurde die Urform des heutigen Steigbügels im 6. Jahrhundert benutzt. Die Erfindung, die die Kampfart mit dem Pferd so radikal veränderte, kam aus Asien nach Nord-Afrika (mit arabischer Vermittlung), und andererseits nach Europa mit den letzten Strömen der Völkerwanderung. Zum Steigbügel kam auch der Sattel. Wenn der Reiter fest auf dem Rücken des Pferdes saß und die Beine abstüt­zen konnte, war sein Pferd besser zu lenken, er konnte — durch die Erhöhung der Reisegeschwindigkeit — eine größere Entfernung zurücklegen. Der byzantinische Kaiser Mauritius (582—602) erwähnt die Vorteile des Steigbügels bereits in seinem Werk „Strategikon“. In den Gräbern der Awaren (7. Jahrhundert) wurden Reste von Steigbügeln aufgefunden. Dessen ungeachtet tauchen diese technischen Fertigkeiten erst in den süddeutschen Gebieten im 8. Jahr­hundert neben den Überresten der Nobilitäten auf. Auf dem Teppich von Bayeux (der im 11. Jahrhundert in England angefertigt wurde und als Bilderbuch der Tapferkeit der normannischen Ritter gilt) wird das bereits mit Steigbügel ein­geschirrte Pferd dargestellt. Die Penetration geht langsam voran, die Gründe dafür sind aber nicht in den Reitsitten zu suchen.(2) Wenn die Situation sich nach dem karolingischen Zeital­ter zwischen Rhein und Seine doch geändert hat, ist das in erster Linie auf materielle Ursachen zurückzuführen. Die asiatischen Nomaden waren leichte Reiter, sie griffen in großen Truppen an und konnten ihre Pferde fest im Sattel sitzend mit Hilfe des Steigbügels leicht lenken. Die von by­zantinischen Kaiser Leo dem „Weisen“ (886—912) den * Der russiche Gesandte Herberstein schreibt 1518: „Am zwan­zigsten Aprilis, fuern also ab gen Wien, ... fueren auf Kolzschi Wägnen (lies Kotzschi), die man also nent nach einen Dorff bey zehen meillen dishalb Ofen, die mit dreyen Pferden neben ajnannder lauffenndt gefurt werden, ... und lassen in tag und nacht von Ofen gen Wien sein wol gemesner zwo und dreissig meillen, und fuettem doch alle mall nach sechs oder funff meilen, und zu Rab am mittl des wegs namen sie andere Pfärdt, und ist ein gar bequeme fuer ...“ (nach Simonyi, 1907, 91.) (1) Hancar 1956; Pigott 1983. (2) White 1962, 14—28. 219

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