Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Attila Paládi-Kovács: Milchwirtschaft in Ungarn im 18. Jahrhundert

an die die Kühe vor dem Melken bei den Hörnern fest­gebunden wurden (Nagy Czirok 1959, 122—123). In der Pußta Hortobágy wurden die Kühe vor dem Melken an ein Gitter aus Stangen und Pfählen (ung. koplaló) ange­bunden (Ecsedi 1914, 127—128, 149). Auch andere Eigenarten konnte der gelehrte Zeitgenosse in den Großen Ungarischen Tiefebene beobachten. Auf den dortigen Weiden ist das Melken der Kühe die Arbeit der Männer, hauptsächlich der Hirten, und nicht der Frau­en. „Die auf der Weide lebende Kuh ist so schlau —• schreibt Bél —, daß sie ihre Milch zurückhält, solange sie ihr Kalb nicht neben sich spürt. Der Hirt weiß aber Be­scheid, wie er sie täuschen kann : er legt ein Kalbsfell um, damit die Kuh glaubt, ihr Kalb sei dort, und sie überläßt ihre Milch freiwillig dem Melker.“ Die Kuhhirten der Tief­ebene benützten keinen Melkstuhl. „Sie melken auch auf der Ebene — schreibt Bél —, aber ganz anders (als im Oberland — A.P.K.): sie müssen es stehend verrichten, mit dem Melkgefäß im Schoß, und melken nur einen Teil der Zitzen, weil die anderen unterdessen vom Kalb gesaugt werden.“ (Bél 1730/1984, 93.) Tatsächlich wurden die Kühe des ungarischen Graurindes noch in der ersten Hälfte des 20. Jh. mit einer Hand, ohne Melkstuhl, stehend gemolken (Kiskunság, Nagykunság, Gegend von Szeged). In Kiskun­halas und Umgebung galt das Kühemelken bis zu den 30er Jahren des 20. Jh. als Männerarbeit (Tálasi 1936, 210; Bálint 1976, I. 473; SZMNA 1:2, 143). Das Melken der in der Nähe der Siedlungen weidenden und täglich nach Hause getriebenen Kühe war im 18. Jh. auch im Tiefland vorwiegend Frauenarbeit. In Nagykőrös war das Melken in den 1730er Jahren eine Sache der weib­lichen Bevölkerung. Um die Kühe in den Pferchen am Stadtrand zu melken, gingen jahraus-jahrein die Frauen früh morgens und abends dorthin. Die kleineren Bäuerin­nen gingen selbst, die größeren schichkten die Dienstmagd (Márkus 1943, 51). In Kiskőrös gab es im 18. Jh. unter den Bediensteten „die Dienstmagd (ung. szolgáló), die die Kühe melkt, den Käse preßt... In Kunszentmiklós gingen hauptsächlich die Dienstmägde zu den Pferchen am Stadt­rand, um die Kühe zu melken. Von dort brachten sie die Milch in einem stumpfkegelförmigen Holzeimer (ung. csanak) nach Hause.“ (Tálasi 1936, 211.) Von den Bauernwirtschaften Nordungarns und Trans­danubiens kann mit großer Wahrscheinlichkeit gesagt werden, daß das Kuhmelken im 18. Jh. überall hauptsäch­lich Frauenarbeit war. Leider ist über die Formen der Melkstühle in den zeit­genössischen Quellen nichts zu finden, auch datierte Gegen­stände und ikonographische Quellen liefern nicht genügend Informationen. Der meistverbreitete Typ ist der niedrige, vierbeinige Melkstuhl mit viereckigem Sitzbrett (ung. gyalogszék) wie er schon in Orbis Pictus von C o m e n i u s (1669) zu sehen ist. Dieses Werk hatte Comenius in den Jahren 1650—54 in Ungarn als Professor des refor­mierten Kollegiums in Sárospatak geschrieben. Im Hochge­birge kommt auch heute der aus gespaltenem Fichtenstamm gefertigte vierbeinige Stuhl häufig vor, im Mittelgebirge der drei- bzw. vierbeinige Zunderstuhl. Es handelt sich um primitive, alte Typen, die wahrscheinlich auch im 18. Jh. gebräuchlich waren. In den herrschaftlichen Schweizereien Transdanubiens und der Großen Tiefebene kann man auch schon mit dem Erscheinen des einbeinigen Melkstuhl rechnen, der mit einem Gürtel an die Hüfte geschnallt wird. Der Vorteil dieses Typs ist: Der Melker braucht den Stuhl nicht in der Hand zu tragen. In der Schweiz und in Österreich war der einbeinige Melkstuhl im 18. Jh. bereits ziemlich weit ver­breitet und wurde in ganz Mitteleuropa durch die sog. Schweizer vermittelt. Dieser Stuhltyp dürfte sich in der Schweiz und im unweiten Tirol im 16.—17. Jh. entwickelt haben. Die Forschungen von Leopold Schmidt be­stätigen die Annahme, daß siclfder Gegenstand in Kärnten und in der Steiermark — in Ungarns Nachbarschaft also — im 18. Jh. verbreitet hat (Schmidt 1957—58, 137, 139, 144—145). Auch in den Französischen Alpen ist der ein­beinige Melkstuhl bekannt (Brunhes Delamarre 1975, 50—51). In Ungarn wurde er von den Schweizern und Tiro­lern der herrschaftlichen Milchwirtschaften verbreitet, die in zeitgenössischen Quellen als Helveten oder Schweizer angeführt sind. Obwohl der einbeinige Melkstuhl im näch­sten Jahrhundert sich auch in den Großgrundbesitzen des Tieflandes verbreitete, wurde er von den ungarischen Bauern­wirtschaften auch später nicht übernommen. Melk platz und Melken der Schafe Volkskundliche Publikationen des 19.—20. Jh. schildern überall das gleiche Melkverfahren: Der Schäfer sitzt auf einem Stuhl vor dem Tor des Pferches und melkt die Schafe, die er einzeln passieren läßt, während sein Gehilfe im Pferch steht und die Schafe zum Tor treibt. Wahrscheinlich war dieses Melkverfahren im 16,—17. Jh. eine neue Erschei­nung. Damals verbreitete sich nämlich in Siebenbürgen und in den Nord-Karpaten das Wort sztronga rumäni­scher Provenienz, welches , Melköffnung an der Wand des Korbes, des Pferches1 bedeutete. Als ungarisches Wort erschien es erstmals im Jahre 1546 und bekam später auch andere Bedeutungen (Bakos 1982, 404). Aufgrund des Prinzips der Wörter und Sachen ist anzunehmen, daß nicht nur das Wort, sondern auch der Gegenstand neu war. Das frühere Melken der Schafe dürfte dem der osteuropäi­schen türkischen Völker ähnlich gewesen sein. Die Basch­kiren und Tschuwaschen benützen kein Melktor. Im ungarischen Sprachgebiet war das Melktor (ung. sztronga, esztrenga, isztronga) kein Zubehör der auf ent­legenen Weideplätzen befindlichen Hirtenunterkünfte, zu­mal die Schafpferchen gewöhnlich innerhalb oder am Ran­de der Siedlung standen. Gewöhnlich schützte man den Melkplatz der Schafe mit einem Dach vor Regen und star­kem Sonnenschein. In Uzdiszentpéter (Kom. Kolozs) stand im Jahre 1679 eine „Esztrenga vor dem Haus, umringt von einem verfallenen Weidengeflecht, überdacht mit Stroh.“ A. T. Szabó 1970, 262). Im 18. Jh. wird der Melkpferch in Bauernhöfen oder Gärten auch in anderen Gegenden Siebenbürgens häufig erwähnt. Es ist bemerkenswert, daß die Wände nicht, wie später, aus Stangen und Brettern, sondern aus Geflecht gebaut wurden. Vereinzelt erschienen das Bauwerk und das Melkver­fahren schon im 17. Jh. auch in der Großen Ungarischen Tiefebene. In Kecskemét wurde dem Schäfer ein Treiber­junge (ung. esztronga-hajtó) zugeteilt, der die Schafe zum Melktor trieb. Er bekam den Lohn eines Hirtenjungen (Szabó, 1942, 31). Die hier erwähnte Form des Melkpferchs 199

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