Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Attila Paládi-Kovács: Milchwirtschaft in Ungarn im 18. Jahrhundert
angesiedelt. In den Meierhöfen der Herrschaft von Garamszentbenedek (Kom. Bars) wurden beispielsweise in den 1780er Jahren sog. „Zipser Kühe“ eingestellt, da ihr Milchertrag entsprechend war und sie besser an die heimischen Weiden angepaßt waren als die aus der Schweiz importierten Kühe. Dieselbe Herrschaft stellte 1791 drei und einige Jahre später weitere sieben Stiere aus der Schweiz ein (Gerendás 1934, 122—124). Ein wichtiges Ereignis des 18. Jh. war das Erscheinen der herrschaftlichen Schweizereien. Schon im 17. Jh. kam es in Einzelfällen vor, daß man die Milchwirtschaft mit ausländischem Zuchtvieh auf bessern wollte. Im Jahre 1680 kaufte Graf Paul Esterházy schweizerische Kühe und etablierte eine Schweizerei, wo Butter sowie nach schweizerischer und holländischer Methode zubereitet werden sollte (Vgl. Gaál 1966, 179). Dies war in Ungarn die erste „helvetische Molkerei“, wie man sie später nannte. Es handelte sich nicht einfach um den Import von Kühen und Zuchtstieren, sondern um die Pflege, die Stallhaltung, die Fütterung mit Klee sowie das täglich dreimalige Melken der Kühe nach schweizerischem System. Graf Sándor Károlyi, General im Freiheitskampf des Fürsten Franz II. Rákóczi, schickte im Jahre 1704 schweizerische Kühe aus Österreich auf sein ostungarisches Gut, mit folgenden Anleitungen an seine Frau: „Die Schweizer Kühe, mein Herz, sind überaus nützlich, man soll keinen Stier von anderer Art zu ihnen lassen, halte sie im Meierhof von Nagykároly (im Zentrum des Gutes); lasse sie dreimal melken und vom Herbst an füttern, im Stall halten und täglich reinigen.“ (Vgl. Gaál, 1966, 179— —180). Die Gründung der Schweizereien ist nicht nur wegen des Rassenwechsels ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Milchwirtschaft. Wenigstens ebenso wichtig ist die Tatsache, daß mit ihnen eine neue Betriebsform in Erscheinung tritt. In den Herrschaftsgütern wurden nämlich die Pflege der Kuh, die Milchverarbeitung, die Zubereitung von Butter und Käse größtenteils Spezialisten aus der Schweiz und Österreich anvertraut. Der Helvete oder Schweizer war kein einfacher Angestellter, sondern der Pächter der herrschaftlichen Molkerei. Sein Rechtsverhältnis in Ungarn war vergleichbar mit dem, der im Deutschland des 17.—18. Jh. in den sog. Holländereien und Schweitzereien galt (Wellmann 1933, 154; Hock 1967, 88—89, 90—91; Bentzien 1980, 189—190). Er lebte mit seiner Familie im Meierhof des ungarischen Gutsherrn. Im Sommer hielt er die Kühe auf den nahen Weiden, im Winter im Stall des Herren und fütterte sie mit dessen Heu. Die Punkte des Pachtvertrages änderten sich je nach Herrschaften und Perioden. Einzelheiten des Pachtverhältnisses werden z. B. durch die Kontakte der Herrschaft Alsólendva (Kom. Zala) dargelegt. Demnach hat der Schweizer (er wird auch villicus oder allodiator genannt) nach jeder Milchkuh 5 Gulden Pachtgebühr zu zahlen (nach einer Geltkuh die Hälfte) und jedes fünfte Kalb der Herrschaft zu geben. Diese gibt ihm nach jeder Kuh das Futter, berechnet nach je einer Wagenladung Heu und Gras sowie genügend Salz. Außerdem erhielt der Schweizer jährlich 4 Maß Weizen und 20 Maß Roggen (1 Maß =54,27 Liter). Käse und Butter wurden vom Schweizer verkauft, der daraus die Pachtgebühren zahlte (Csapody 1933, 47). In anderen Fällen kassierten die Gutsbesitzer weniger Geld, bestanden aber dafür auf der Abgabe von Käse und Butter. Auch das Eigentumsrecht auf die Kälber war zwischen den Gutsherren und den Schweizern unterschiedlich verteilt (Wellmann 1979, 166). Diese Pachtform dürfte für die Großgrundbesitzer lukrativ gewesen sein, denn in der zweiten Hälfte des 18. Jh. entstanden zahlreiche neue Milchwirtschaften, besonders in Transdanubien und der Kleinen Tiefebene. Das frstl. Esterházy’sche Majorat erließ 1760 eine allgemeine Anweisung, wonach in sämtlichen, ihm angehörenden Domänen eine Schweizerei (ung. sväjceria) zu errichten sei (Vgl. Éber 1961, 89). Auch in den Meierhöfen des Grafen Paul Festetics in den Komitaten Zala, Vas und Veszprém wurden nacheinander Kuhställe und sväjceria-Häuser gebaut. Hier wurden die Kühe nach Schweizer Art mit Klee gefüttert und dreimal im Tag gemolken (Szántó 1952, 282). In den herrschaflichen Milchwirtschaften hielt man nicht nur schweizerische, sondern auch Tiroler, steirische, Mürzthaler Kühe. In Kismarton (Eisenstadt) werden z. B. in den Abrechnungen des Jahres 1771 steirische Kühe und ein ebensolcher Stier erwähnt. Auch in Fertőszéplak (Kom. Sopron) war die Entwicklung eines Zuchtbestandes aus steirischen Kühen vorgesehen (Kovács 1962. 53). Die Zahl der Kühe in den herrschaftlichen Schweizereien bewegte sich zwischen 15 und 30 Stück. Im August 1768 betrug z. B. die Zahl der „Schweizer Kühe“ im Meierhof von Vasvár (Kom. Vas) 28: „Tehén nro 28“ (Kovács, 1962, 52). Auch in der Großen Ungarischen Tiefebene entstanden vereinzelt sog. Schweizer Milchwirtschaften. In Hódmezővásárhely im Herrschaftsgut des Grafen Károlyi wurde z. B. die „sväjceria“ in den 1770er Jahren errichtet. Sie dürfte wohl ertragreich sein, denn die Zahl der Schweizer Kühe stieg bis zu den 1820er Jahren auf das Zehnfache an (Herceg 1980, 120). Im Herrschaftsgut der Familie Grassalkovich bei Gödöllő entstand die Schweizerei ebenfalls gegen Ende des 18. Jh. Später wurde daraus eine echte Musterwirtschaft; in den Jahren nach 1800 wurde über jede Kuh ein genaues Tagebuch mit Angaben des Milchertrages und des Futters geführt. Der ganze Kuhbestand setzte sich aus schweizerischem rotem und rotbuntem Vieh zusammen (Wellmann 1933, 154). Melken der Kühe, Melker, Melkverfahren Aufschlußreiche Beobachtungen der Melkverfahren verdanken wir Matthias Bél: „Im Bergland setzen sich die Frauen zu den Kühen, und die Milch tröpfelt in den auf dem Boden stehenden Melkkübel; im Flachland müssen sie jedoch neben der — dort schon wilderen — Kuh stehen, die sie mit Finte oder Angewöhnung dazu bringen, daß sie, falls sie gemolken werden soll, auf wundersame Art zu ihnen hingelt oder jedenfalls stehen bleibt, so daß die Milch mühelos gewonnen werden kann.“ (Bél 1730/1984, 101). Allerdings läßt er die uralten Requisiten des Kuhmelkens in der Tiefebene unerwähnt: die in der Nähe der Hirtenhütte in den Boden gerammten Melkhölzer (ung. fejőfa, fejőágas, borjúkaró) ; an die beiden ersteren werden Kühe, an das letztere die Kälber festgebunden. Im Kiskunság-Gebiet gab es noch in den 1910—20-er Jahren bei den meisten Hirtenunterkünften wenigstens 2—3 Melkhölzer, 198