Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Václav Frolec: Die Genesis des dreiteiligen Bauernhauses auf dem Territorium der Tschechoslowakei

Abb. lb.: Zitková Nr. 55, Bez. Uherské Hradistë. stammen aus dem 11.—12. Jahrhundert und beziehen sich auf die Ostslawen (Niederle 1913, 750—751). N ie­­derle nimmt an, daß dieses Nebengebäude (klet) ein Geschoß hatte und meint, es sei im 11.—12. Jahrhundert „in sehr enger Verbindung mit dem russischen Haus gestanden, wenngleich es damit nicht ein Ganzes bildete“. Bei den Westslawen ging der Ausdruck klet für den ange­führten Anbau unter und wurde laut Niederle meis­tens durch Lehnwörter aus dem Deutschen (komora, spychar, aus den deutschen Terminen Kammer, Speicher) ersetzt. Unter dem Aspekt der von uns verfolgten Prob­lematik ist die Behauptung N i e d e r 1 e s wichtig, daß „ein solches Objekt hier auch tatsächlich vorhanden war, denn wir sehen es unter dem Namen komora (Kammer) oder srub (Blockhaus) mit seiner traditionellen Geschoß­konstruktion und interessanten Tektonik noch heute, z. B. bei den Choden im Böhmerwald ebenso wie in Schlesien, ja es gibt noch Orte in der Mährischen Slowakei, wo wir ad oculos den langsamen Wandel des alten ein­stöckigen und selbständigen Anbaues, hier Kammer (oder im PI. Kammern) genannt, in eine wirkliche Wohn­­kammer verfolgen können, die mit dem übrigen Haus verbunden wurde“ (Niederle 1913, 751—752). Diesen Anbau (klet) behandelt Niederle vor allem auf­grund jüngerer ethnographischer Belege. Bloß beim „slawischen Haus in Rußland“ setzt er die Existenz dieses Anbaues bereits im 10.—11. Jahrhundert voraus (Niederle 1913, 758). Die Theorie N i e d e r 1 e s rechnet damit, daß es zur Anfügung des Anbaues an das zweiteilige Haus bis zum 11.—12. Jahrhundert nicht kam und daß die Kammer erst in historischen Zeiten zum Bestandteil der dreiteiligen Behausung wurde (Niederle 1913, 773). Wir zitierten die grundlegenden Thesen der Theorie N i e d e r 1 e s bezüglich der Entstehung des dreiteiligen Hauses deshalb, um sie mit den Ergebnissen der bisherigen sprachlichen, kunsthistorischen, ethnographischen und insbesondere archäologischen Forschungen konfrontieren zu können. Aufgrund der neuen Erkenntnisse ziehen wir den Schluß, daß die Entwicklung des Hauses weitaus kom­plizierter war und man mit mehreren kulturellen und in deren Rahmen auch architektonischen Strömungen auf dem Territorium der heutigen Tschechoslowakei rechnen muß. In den ergiebigen landwirtschaftlichen Tieflandsregionen der alten slawischen Besiedlung im Marchtal, wo die großmährischen Zentren lagen, war offenbar bereits in der Ära Großmährens und nachher das Haus mit einem dreiteiligen Grundriß samt Stube (jizba), Flur (sin) und ebenerdiger Kammer (komora) verbreitet. (Abb. 6) Zu dieser Hypothese führt uns die Feststellung, dass wir im marchnahen Gebiet zwischen Bratislava (Preßburg), Brec­­lav (Lundenburg), Hodonin (Göding) und Uherské Hradistë (Ungarisch-Hradisch) weder aus der älteren oder jüngeren Zeit überhaupt freistehende Kammern, noch an das Haus angefügte einstöckige Kammern belegt haben (Frolec 1983, 114). Der tschechische Kunsthistoriker 17

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