Lukács László (szerk.): Märkte und Warenaustausch im Pannonischen Raum - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 28. (Székesfehérvár, 1988)
Werner Nachbagauer: Wanderhändler in Wien um die Jahrhundertwende
erzielen, 'verkleiden' sich immer wieder Hausierer als "Typen", um ihren Verkauf sumsatz zu steigern, z.B. als Landmädchen, Gottscheer, 'armer Slowake' usw.(24) Organisation des Wanderhandels (Warenbezug, Warenabsatz) Die Wiener Hausierer bezogen ihre Ware vornehmlich von Grosserzeugern (Fabriken, Grossisten). In vielen Fällen wurden Restposten und Ausschussware aufgekauft. In manchen Fällen wurde allerdings sogar gezielt für Hausierer produziert. "Der Hausierer ist das billigste und bequemste Vertriebsorgan für Erzeuger: Fabriken, Manufakturen oder grössere Meister, Kaufleute bringen ihre Ladenhüter an."(25) Der Hausierer als Zwischenhändler war entweder Händler auf eigene Rechnung oder Lohn- bzw. Provisionshausierer. (26) Der Erhebungsbeamte von Wien berichtet auch von kleinen Handwerkern (Drechslern, Kammachern, Taschnern), die selbsterzeugte Produkte verhausieren.(27) Nur ein relativ geringer Teil der Hausiererware scheint hausindustriell gefertigt worden zu sein.(28) Einhellig sind die Aussagen, was die Qualität der Hausiererwaren betrifft: Sie soll in der Regel minderwertig, von schlechter Qualität gewesen sein. Andererseits konnte man beim Hausierer wesentlich billiger kaufen als beim Kaufmann, was sich natürlich auch mit den geringeren Spesen und Regiekosten des Hausierers erklären lässt. Der Verkauf spielte sich auf den Strassen, in Häusern, auf Marktplätzen, und vor allem auch im Wirtshäusern (29) ab. Das Feilschen um den Kaufpreis galt als selbstverständlich. Häufig waren Klagen über Verstösse gegen die Sonntagsruhe(30), Aufdringlichkeit(31) und übermässiges Vorfordern(32). Soziologische Zugehörigkeit und Lebensweise Berufshausierer waren vor allem die Bewohner 'armer' Gegenden (Gottscheer, Slowaken), sowie die Absatzorgane bestimmter Produktionsgebiete (z.B. "Bandlkramerland"). Andere Gründe waren: Konkurs oder sonstwie abgewirtschaftet, Mangel an fachlicher Bildung und Mitteln, und last but not least Gebrechlichkeit. (33) An einer Stelle wird auch temporäre Arbeitslosigkeit als Anlass zum Hausieren genannt.(34) Ein Autor betont die Nähe zur Bettelei und Prostitution von hausierenden Kindern und Frauen(35). Mit Recht konnte man den Hausierhandel als "Handel der kleinen Leute"(36) bezeichnen. Häufig finden sich Hinweise auf die Massenquartiere, in denen die Gottscheer, slowakischen, italienischen und galazischen Hausierer(37) untergebracht waren. Selbstausbeutung, Ausbeutung von Angehörigen und familienfremden Personen (Kinder(38), Frauen) waren die Regel. Aus all diesen Angaben darf geschlossen werden, dass der weitaus grösste Teil der Wanderhändler in Wien um die Jahrhundertwende der ärmsten und am meisten verelendeten Bevölkerungsgruppe zuzurechnen war.(39) 41