Kralovánszky Alán (szerk.): Székesfehérvár évszázadai. 2. Középkor - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 14. (Székesfehérvár, 1972)

Horváth János: Középkori irodalmunk székesfehérvári vonatkozásáról

kann die Erscheinung kaum anders erklärt werden, als dass sowohl der Verfasser der Leichenrede aus dem 12. Jh., als auch der den König bestattende Erzbischof Csanád Telegdi sich nach einem den besonderen Bedürfnissen der Kirche entsprechenden alten Schema richteten. Dieses Schema der Grabrede soll offenbar schon auch vor seiner Abfassung im Pray-Kodex bekannt gewesen sein. Da seine Parallele in der reichen liturgischen Literatur bis jetzt nicht bewiesen werden konnte, kann mit Recht angenommen werden, dass dieses Schema in der ungarischen Kirche unter Berück­sichtigung spezieller ungarischer Umstände entstand, um bestimmter, mit der Toten­beweinung verbundener Übertreibungen vorzubeugen. Ursprünglich soll es gerade den Zweck gehabt haben, die seelische Spannung der übermässig Trauernden und Klagenden „durch heilsame und fromme Rede gebührendermassen zu mildern” — wie unser namenloser Anjou-zeitlicher Historiker die Rede von Erzbischof Telegdi einleitet. Diesen Zweck erfüllt das Schema der Grabrede mit der Erzählung der biblischen Geschichte des Sündenfalls und mit der anschliessenden einfachen theolo­gischen Argumentation. Danach wäre die Folge des Sündenfalls der Tod, der allgemein ist und unausweichbar für jeden Menschen. Nachdem dieses Schema einmal schon gewisse Form angenommen hat, erstarrte es und wurde beinahe zum beständigen Teil der ungarischen Bestattungsliturgie. Das wird durch die im Jahre 1342 gehaltene Grabrede des Erzbischofs Csanád Telegdi bewiesen. Die textkritische Untersuchung verhilft noch zur Entscheidung zweier umstrit­tenen Fragen. In dem lateinischen ’Sermo super sepulchrum’ des Pray-Kodexes ge­winnt nämlich gegenüber dem Tod als einer Strafe die Erlöserrolle Christi als tröstendes Moment Nachdruck. Demgegenüber wird in der ungarischen Leichenrede des Pray-Kodexes der Erlöserrolle Christi keine Erwähnung getan. Deshalb haben einige Forscher an die Ketzerei des Verfassers der Leichenrede oder an byzantinische Wirkung gedacht. Da aber in der Grabrede des Erzbischofs Telegdi die Erlöserrolle Christi genauso unerwähnt bleibt, wie in der ungarischen Leichenrede des Pray- Kodexes, kann man an Ketzerei oder byzantinische Wirkung kaum denken. Da ferner in der ungarischen Leichenrede des Pray-Kodexes die Vermischung be­stimmter idiomatischer Elemente zu bemerken ist, gelangten einige Forscher zu der Schlussfolgerung, dass die Leichenrede eine Abschrift sei. Andere Forscher waren der Ansicht, dass die Leichenrede ein originelles Konzept des Verfassers des Pray- Kodexes wäre. Da aber Erzbischof Telegdi ungefähr 150 Jahre später dieselbe Grab­rede gehalten hatte, die um 1200 auch von dem Verfasser des Pray-Kodexes auf­gezeichnet wurde, kann die Leichenrede weder eine Abschrift, noch die Original­fassung (= die erste Fassung) gewesen sein, sondern die mehr oder weniger selb­ständige ungarische Paraphrase eines in der Liturgie der ungarischen Kirche schon seit Alters her gebräuchlichen liturgischen Schemas. Für solches kann auch die ver­­hältnissmässig selbständige Grabrede des Erzbischofs Telegdi angesehen werden. 142

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