A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve, 1964-65. 2. (Szeged, 1966)

Dienes, István: Über neuere Ergebnisse und Aufgaben unserer archäologischen Erforschung der Landnahmezeit

behauptet werden, dass sie in der Tat rechtlose Knechte waren. Die wirkliche soziale Lage der Gemeinfreien ist schwerer zu beurteilen. Das Gesetzbuch Stephans stellt zwar dem „Gesetz der Knechte" (lex servorum) das „Gesetz der Freien" (lex libro­rum) gegenüber, doch ergibt es sich aus dem Text der Gesetze ganz deutlich (aus der Grösse der Wergelder, der Strafen, aus der Erwähnungen der Wohnungen als Haus oder als Hütte), dass es zwischen den Freien grosse Unterschiede an Vermögen und Macht gab, sie bildeten also keineswegs eine einheitliche Schicht. Aus Donations­urkunden und anderen Urkunden aus der Arpadenzeit ist auch das herauszulesen, dass die ärmeren Freien (z. B. ein Teil der als „liberi" bezeichneten) in einer niedrigen, halbfreien Stellung, der sich von der Knechte kaum unterschied, lebten; sie arbeiten auf dem Boden eines anderen, zahlen Steuer, sind zu Abgaben verpflichtet, führen personelle Dienstleistungen aus, sie können auch verschenkt werden. Es ist mit Recht zu vermuten, dass auch die Freiheit der als „vulgares", „pauperes", „plebeii" bezeichneten Elemente nur eine scheinbare war, auf die meisten unter ihnen erstreckte sich schon am Anfang des XL Jahrhunderts die Macht der Magnaten, auf den Schutz und die Verteidigung jemandes angewiesen lebten sie in Abhängigkeit (Hóman, Tagá­nyi, Molnár, Bonis usw.). Viel schwieriger ist das Bild der Gesellschaft des X. Jahrhunderts zu skizzieren. Auf die Zustände in diesem Jahrhundert pflegt man aus den Quellen der Arpadenzeit zurückschliessen, die Deutung dieser Daten wird aber durch die allgemeine Ge­schichtauffassung im voraus bestimmt. So lange die ständische, adelige Nationan­schauung noch lebte und man der Meinung war, dass die Menge der Knechte durch Eroberung unter die Herrschaft der einheitlich freien Ungarn geraten sei, konnte die Durchschichtung der ungarischen Gesellschaft nur in der neuen Heimat angesetzt werden, indem die Urbevölkerung in Knechtenstellung gestossen worden sei bzw. dass das über sie geratene Ungartum zu einer herrschenden Klasse geworden sei. Da die Unhaltbarkeit der ständichen Ansichten über das Ungartum der Landnah­mezeit erwiesen wurde, ist es ganz unmotiviert, die Ausbildung der ungarischen Klassengesellschaft an die neue Heimat zu binden und nicht anzusetzen, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung schon im Zeitalter der Landnahme in vorgeschritt­lichem Zustand befunden habe. Auch die beschleunigteste Entwicklung von zwei­drei Menschenaltern kann uns die ausgereiften Klassenverhältnisse der Zeit Stephan I., d. h. die Übereinanderschichtung der als servus, vulgaris, miles und comes bezeich­neten Elemente nicht erklären. Zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Organisation des Ungartums der Land­nahmezeit können wir ausser den Ergebnissender Archäologie noch aus dem Studium •der nomadischen Gesellschaften Hilfe erhoffen. Die Struktur der nomadischen Gesellschaft wurde — durch die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse der Mongolen — am anschaulichsten durch Wladi­mircov in seinem „Obscestvennij stroj mongolov (Mongolski} kocevoj feudalism)" (1934) beleuchtet. Die Vergangenheit der Mongolen ist ziemlich bekannt, und Wladi­mircov konnte sich auf solche Quellen stützen, wie das alte Leben verlebendigende, mit epischen Gesängen durchwobene „Geheime Geschichte der Mongolen" und das Werk des persischen Geschichtsschreibers Rasidu-'d-Din. Wladimircov charak­terisiert die Zustände vor dem Chan Dschingis, die Periode der Ausbildung des Feudalismus, dessen Blüte und Verfall. Zur annähernden Schilderung der sozialen Organisation des landnehmenden Ungartums scheint es uns unumgänglich zu sein, die Ergebnisse dieser Studie hier kurz zusammenzufassen. Die Grundeinheit der nomadischen Gesellschaft, die exogame Sippe hat ehemals eine Gruppierung auf verwandtschaftlicher Grundlage bedeutet. Mit der Entwicklung 87

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