Kunt Ernő szerk.: Kép-hagyomány – Nép-hagyomány (Miskolc, 1990)
I. RÉSZTANULMÁNYOK - Edith A. Weinlich: A privát fényképek történetéhez, valamint a régebbi privátfényképek jelenkori fogadtatásához
welche umgekehrt schon längst gefallen ist: Wissenschaftliche Erkenntnisse sind integraler Bestandteil alltäglicher und privater Orientierung.) So stelle ich für mich „privat" fest, daß biografische Fotografien mich reizen, weil sie mir einen Voyeurismus gestatten, welchen ich mir in einem biografischen Interview, aber auch in einem herkömmlichen Gespräch, mit Fragen nie erlauben würde, weil dazu ein Verharren gehörte, welches den Rahmen des Angemessenen sprengte. So scheint jede Fotogratie ein Geheimnis zu behalten, obwohl jede Fotografie nichts anderes als eben dieses Geheimnis offenbart. Aus den Variationen des Vorstellbaren überbringt die Fotografie ein definitives, zeitlich, sachlich und personlich authentisches Bild. Den Augenblick einer fotografie lang zerreißt der Faden der Erzählung, der Beschreibung, und Erinnertes liegt als klares und komplexes Bild zugleich vor uns. Die Imagination erreicht anhand der Fotografie Identität, Identität mit einem historischen Augenblick. Fotografien bilden Zeitfossilien. Peter Handke bemerkt in seinem roman „Wunschloses Unglück", welcher das von ihm nachgedachte Leben seiner Mutter nach deren Tod durch Selbstmord enthält und wozu er auch ihre Fotografien zu Rate zieht: „Diese Zeit half meiner Mutter, aus sich herauszugehen und selbständig zu werden. Sie bekam ein Auftreten, verlor die letzte Berührungsangst: ein verrutschtes Hütchen, weil ein Bursche ihren Kopf an den seinen drückte, während sie nur selbstvergnügt in die Kamera lacht." 3 Und gewissermaßen auf der Metaebene der Erzählung bemerkt Handke: „(Die Fiktion, daß Fotos so etwas überhaupt „sagen" können-: aber ist nicht ohnehin jedes Formulieren, auch von tatsächlich Passiertem, mehr oder weniger fiktiv? Weniger, wenn man sich begnügt, bloß Bericht zu erstatten; mehr, je genauer man zu formulieren versucht? Und je mehr man fingiert, desto eher wird vielleicht die Geschichte auch für jemand andern interessant werden, weil man sich eher mit Formulierungen identifizieren kann als mit bloß berichteten Tatsachen? -Deswegen das Bedürfnis nach Poesie?)" 4 Die Identifikation mit Formulierungen, mit Formulierungen eines bestimmten Lebens-Zeit-Gefühls, genau das bieten narrative biografische Dokumente, und die Fotografie kann zu diesen zählen, nahezu überreich an. 3 Gewiß sind lebensgeschichtliche Materialien, wie sie in kulturhistorischen oder anderen historischen Disziplinen verwendet werden, nicht fiktiv, sondern „echt"; sie besitzen die „Aura des Authentischen". Allerdings bedarf die Authentizität der Überzeugungskraft der gelungenen Formulierung. „Bedürfnis nach Poesie", solches findet hier nur fälschlich Befriedugung. Was stattfindet, ist eine sentimentale Ästhetisierung. Da gerät dann die Armut zur Idylle oder die Unbeholfenheit zum Stilmittel. Vor derartigen Rezptionsweisen sind Wissenschaftler, und das sollten sie im Kopf behalten, keineswegs gefeit, sondern sie wirken sogar daran mit. So werden z.B. lebensgeschichtliche Erzählungen als die des „kleinen Mannes", der „kleinen Leute", bezeichnet. Dieses „klein" bedeutet, selbst wenn es provozierend gemeint sein sollte, eine affirmative Verniedlichung, Handlichmachung und Naivisierung. Lebensgeschichtliche Erzählungen und Texte werden als „naive Prosa" rezipiert 6 , gleich der privaten Fotografie aus diesem Milieu, die als eine Spielart des „naiven Bildes" (Abb. 1). angenommen wird, 7 zumal man den Porträtierten ein unverstelltes, unschuldiges Verhältnis zur Fotografie und zur Technik unterstellt. Aber das sind bereits Interpretamente, kulturelle Wahrnehmungsmuster, die immer auch eine soziale Filterung und Deutung in sich tragen. In diesem Dilemma von sentimentaler Verstrickung und und distanzierender Annäherung befindet sich jeder, der Feldforschung betreibt. Meine Konfrontation mit privater Fotografie fand genau in diesem Zwiespalt statt; im Rahmen des Projekts „Fotodokumentation Volkskultur und Lebensgeschichte", ein ehrgeiziger, aber auch programmatischer Titel, mit Sitz am Institut für Volkskunde der Universität Wien, getragen vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen For-