Kunt Ernő szerk.: Kép-hagyomány – Nép-hagyomány (Miskolc, 1990)

I. RÉSZTANULMÁNYOK - Edith A. Weinlich: A privát fényképek történetéhez, valamint a régebbi privátfényképek jelenkori fogadtatásához

schung, sammelte ich private Fotografien und führte dazu narrative Interviews, in welchen der Kontext zu den Aufnahmen rekonstruiert werden sollte. Als Erhebungsort bot sich Siegendorf an, da dort schon einmal vom Institut aus Feldforschungen zum Wandel der Alltagskultur durchgeführt worden waren und diese Untersuchungen als Grundlagenwissen genützt werden konnten. Siegendorf liegt nahe der ungarischen Grenze, an der Straße von Sopron nach Wien; es liegt im Burgenland und damit in einem Landstrich, welcher als typisches Agrarland galt und gilt, oder anders gesagt, als strukturschwaches Gebiet, dem allgemeinen Standard hinterherhinkend. Tatsächlich wurde das Burgenland vor allem agrarisch genutzt und kaum industrialisiert. Trotzdem wäre das Bild von einem vorwiegend bäuerlichem Land mit festgefügten bäuerlichen Strukturen und Traditionen falsch. 8 Zum einen, weil die seit 1848 gestattete Realerb­teilung dazu führte, daß man von der bäuerlichen Wirtschaft allein nicht sein Auskom­men hatte, zum andern, weil das Land zum großen Teil in herrschaftlichem Besitz blieb und die Bewirtschaftung durch Gutsbetriebe erfolgte (Abb. 2). Das bedeutete, daß trotz fehlender Industrialisierung ein relativ hoher Prozentsatz der Bevölkerung Arbeits­verhältnisse einging. Wer auf den „Ökonomien 1 " nicht unterkommen konnte oder woll­te, war zur Arbeitsmigration bzw. Emigration 9 gezwungen. Nun zeichnet sich der Norden des Burgenlandcs, in dem Siegendorf liegt, durch seine relative Nähe zu Wien aus und er schließt außerdem an das Steinfeld" 1 an, eine Region, welche schon seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert allmählich industrialisiert wurde, vor allem durch Textilfabriken (Abb. 3), die als „Vorhut der Industrialisierung"' gelten können. So findet sich im Burgenland zu Ende des 19. Jahrhunderts und danach eine relativ starke Arbeiterschaft; die typischen Spezialisierungen neben Fabriksarbei­ter waren Land- und Bauarbeiter. Man lasse sich von der maskulinen Form nicht täuschen; in allen Sparten waren, soweit es die Belastung durch Kinder oder durch kleinhäuslerischen Besitz zuließ, Frauen beschäftigt; für diese kam auch noch eine Stellung als Dienstmädchen in einem Stadthaushalt in Frage. Solcherart wurde die dörflich geschlossene Erfahrungswelt erschüttert. Der Hori­zont weitete sich, die soziokulturellen Konflikte verschärften sich. In vielerlei Hinsicht trifft das auch auf Siegendorf zu; ein entscheidender Unterschied zu anderen Kommu­nen lag darin, daß jene (bis voriges Jahr) eine Fabrik „besaß" (Abb. 4). 1852 wurde von Konrad Patzenhofer, einem Bayern, auf Gemeindegebiet eine Rübenzuckerfabrik errichtet, welche zu einem der größten Industriebetriebe des Burgenlandes wurde. Entscheidend für die Wahl dieses Standorts war ein mit der damalgien Ökonmieverwal­tung getroffener Vertrag über Anbau und Zulieferung von Zuckerrüben, einer zu dieser Zeit innovativen Frucht gewissermaßen, ebenso wie ihre wirtschaftliche Verwertung. Der Fabriksbetrieb sicherte für viele ein karges Durchkommen vor Ort, d.h., man konnte zwar verdienen, aber noch lange nicht genug. Man wurde niemals satt davon, war auf Subsistenzwirtschaft angewiesen, der Konkurrenz oder dem Neid anderer Arbeiter bzw. Arbeitssuchender sowie der Willkür der Vorgesetzten ausgeliefert. Ob­wohl Erwerbsarbeit von Kindern unter 14 Jahren im 19. Jahrhundert mehrmals gesetz­lich verboten worden war, waren diese, zumal aus kinderreichen Familien stammend, gezwungenermaßen fester Bestandteil des Arbeitsprozesses und der Lohnkalkulation seitens des Unternehmens." Die Existenz der Arbeiterfamilien zu Beginn dieses Jahr­hunderts konnte jederzeit in Not und Elend Umschlagen, sobald Krankheit, Unfall, Tod, Wirtschaftskrisen oder Repressionen aus politischen sowie unternehmensstrategi­schen Überlegungen heraus sie traf. „Uns ist es gut gegangen", wenn das heute jemand retrospektiv sagt, der aus einer Siegendorfer Arbeiter- oder Kleinhäuslerfamilie stammt, dann meint er damit nicht mehr und nicht weniger, als daß seine Familie nicht Hunger zu leiden brauchte und ein Dach über dem Kopf hatte. Dort wie auch anderswo in Österreich und Europa waren sozialistische Ideen und Zugehörigkeit sowie Sympat-

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