Kunt Ernő szerk.: Kép-hagyomány – Nép-hagyomány (Miskolc, 1990)
I. RÉSZTANULMÁNYOK - Ingeborg Weber-Kellermann: A vidékiek kultúrájáról és múzeumi ábrázolásukról
hinweg an die Wände ihrer Wohnstube hängte und so ebenfalls durch Quantität einen für sie ästhetischen Eindruck erweckte. Wohl unterschieden sich die reiler in Schloß und Bauernhaus in der Qualität, aber das System. Schönheit durch Masse zu erzielen, ist das gleiche. Ich will die Methode des bäuerlichen Wandschmucks in katholischen Gegenden, wo die Bäuerin ihre Stube mit symmetrisch aufgehängten Heiligenbildern förmlich pflastert, hier nur erwähnen. Auch solche Gedanken könnte man in musealen Inszenierungen sinnfällig vermitteln. Dazu muß aber als Voraussetzung feststehen, daß Kulturfähigkeit nicht mit den üblichen Bildungsdefinitionen identisch ist. Die Landbevölkerung, für deren Mittel- und Unterschichten bereits die einfache Schulbildung meist eine durchaus entbehrliche Lebensqualität darstellte, hatte dennoch Formen der Kultur entwickelt, hatte Zeichen und formelhafte Figurationen gefunden, um Freude und Trauer, Freundschaft und Feindschaft, Nähe und Abstand auszudrücken. Der Kulturbegriff des Bürgertums ist nicht dadurch zu erweitern, daß man so etwas wie „Trivialkultur" miteinbezieht, 14 auch nicht durch die Gleichsetzung von Kultur und „Lebensweise". Die Erweiterung muß sich auf einer anderen Ebene abspielen: der Fähigkeit, kulturelle Zeichen für die eigenen Lebenszusammenhänge zu entwickeln. Dazu gehören ganz selbstverständlich auch die ökonomischen Verhältnisse, mit denen gerade die ländliche Kultur im positiven wie im negativen Sinne tief verbunden ist. Das beginnt bei den Bräuchen des Lebenszyklus und reicht über die Tracht bis hin zu den Anfangs- und Endbräuchen der großen Arbeitsphasen . Der hochbepackte Brautwagen, mit dem die Bäuetin in ihr zukünftiges Haus einzieht, zeigt dem ganzen Dorf den Umfang ihrer Mitgift. 1 " In manchen Dorfmuseen hat man angefangen, solche Brautwagen zu rekonstruieren, was nicht nur bunt und dekorativ ist, sondern etwas sehr Deutliches über dörfliches Denken und Sich-Darstellen aussagt. Die Fähigkeit, solche sinnfälligen Zeichen für ihre sozialen Bezugssysteme zu erdenken und auszuformen, ist die große kulturelle Leistung der Landbevölkerung. Dazu kommt jeweils die historische Dynamik, denn die Zeichen sowohl wie das, was sie ausdrücken, wandeln sich unter den Bedingungen der Geschichte. Für den kulturellen Bestand bleibt die Tatsache unbestritten, daß sich viele Erscheinungen aus der Hochkultur ableiten lassen wie z.B. Einzelheiten der hessischen Dorftracht aus der Rokokomode. Doch lassen sich solche Phänomene nicht einfach als „gesunkenes Kulturgut" erklären, wie das Hans Naumann 16 gemacht hat. Die Frage muß vielmehr lauten: welche Dinge wurden aus der Oberschicht übernommen und welche nicht? Wie vollzogen sich Umformung und Aneignung für die eigene Lebenswelt? Bei solchen Fragestellungen kommt man allerdings mit absoluten Schönheitsbegriffen nicht weiter. Die sechszehn geschlängten Röcke der Schwälmer Kirmestänzerin waren sicher nicht objektiv „schön", aber war das der Cul-de-Paris der GründerzeitGnädigen? Die eine wollte mit dieser Dorfmode ihren bäuerlichen Reichtum zeigen, die andere ihre großbürgerliche Repräsentationsrolle, die ihr jede körperliche Arbeit verbot. Wichtig ist die unauflösliche Verbindung zwischen Gesellschaft und Kultur, besonders in ihrer kollektiven ländlichen Erscheinung. Hier formten sich die innerdörflichen Beziehungssysteme zu einer Fülle von Zeichen und Verhaltensformen, die den aufmerksamen Beobachter über die Phantasie und den Erfindungsreichtum bei der Inszenierung solch durch und durch geregelten Lebens erstaunen lassen. Die Epoche des 19. Jahrhunderts war auch für die ländliche Gesellschaft erfüllt von vielfältigen Bewegungen auf technischem, religiösem und sozialem Gebiet. Sie mündeten in eine wachsende Mobilität und Verbürgerlichung. In einer Art von Rückkoppelungseffekt wollte nun die Stadt dem Land jenes „ländlich-sittliche" Verhalten zuordnen, das den verklärten bürgerlichen Vorstellungen vom Dorf entsprach. Es entwickelte sich eine Agrarromantik, 17 in Heimatkunst und Heimatpflege, die auch auf die Museen und ihre Darstellung von Dorfkultur einwirkte. Tatsächlich ging die Landbevöl-