Müller-Walter Judit: Mehr als Lebensgeschichten. Schicksale (Pécs, 2010)
Bei den Aussiedlungen zählte eigentlich nur, auf welches Haus die Siedler scharf waren, und aus welchem man am meisten stehlen konnte. Aus Erdőmecske hat man 35 Familien ausgesiedelt , 15 davon bekannten sich bei der Volkszählung als Ungarn. Aber alle hatten ein großes Gut, volle Speicher und Vieh. Uns brachte man in eine um Dresden gelegene Ortschaft, dort lebten wir in einer Räumlichkeit, sinnigerweise in einer Kneipe mit meiner Großmutter und der Familie ihres Bruders. Dies war für zwei Familien Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer in einem. Hier wohnten wir 18 Monate lang. Meine Eltern entschieden sich damals, doch zurück zu kehren. Meine Großmutter, meine jüngere Schwester und ich gingen los, wir sagten uns, irgendwie werden wir ja doch zurück nach Ungarn gelangen, wir versuchten es zumindest. Unsere Eltern werden uns dann schon folgen und uns einholen. Ein 14 jähriges und ein 10 jähriges Kind, und eine sechzig Jahre alte Frau, die noch zuvor nicht einmal nach Pécs kommen konnten, suchen nun den Weg von Deutschland nach Hause, nach Ungarn. Hochzeit in Erdősmecske im April 1959. György Molitor, Onkel Gyuri heiratet Josefa Müller, man nannte sie Tante Seffi. Um das junge Paar herum sind die Eltern, Großeltern und Geschwister zu sehen. Links vorne sitzt die Großmutter Frau Ferenz Molitor (Tante Resi) mit der Onkel Gyuri und seine Schwester ausgesiedelt wurden, Teri floh 1948 aus Deutschland zurück nach Ungarn. Tante Resi war damals sechzig Jahre alt, Onkel Gyuri 14 und Tante Teri war 10 Jahre alt. Ihre Heimreise dauerte über einen Monat. Die Familie des Onkel Gyuri wohnten damals in Bicsérd, aber ihre Hochzeit feierten sie in ihrem ehemaligen Haus und ihrer Kneipe, die dann ein ehemaliger Siedler betrieb. Einmal wollten wir zurück in unser Dorf ziehen, nach Erdősmecske. Das letzte Haus am Ende des Dorfes stand leer, aber zur Rückkehr brauchten wir die Genehmigung der Bezirksrates. Dann sagte der eine Siedler er empfiele das nicht, denn Janos Molitor, mein Vater, bei genauerer Betrachtung sogar noch als Grossgrundbesitzer bezeichnet werden könnte, da sein Vater lediglich Schlossermeister war. Das war richtig, aber es stimmte auch dass mein Großvater schon 1945 gestorben ist. Als ich das hörte, sagt ich meinen Eltern, dass auch wenn sie zurück nach Mecske wollen, ich nie wieder dorthin zurückkehren werde .