Linzbauer, Franciscus Xav.: Codex Sanitario-Medicinalis Hungariae 1 (Budae, 1852-1856)
Mantissa
726 dieses Werkchens hat der gelehrten Welt schon mehrere dergleichen Abhandlungen nützlicher Materien gelieferet, und stehet wirklich schon von zwei Jahren her mit einem andern sehr gelehrten Werke zum Drucke fertig , welches ich zum Theil eingesehen, gelesen, bewunderet habe. Aber seine kümmerliche Umstände gestatten es ihm nicht, damit ans Tageslicht zu tretten. Nur schade, dass, ungeacht unser Baiern nicht gar viel gelehrte Patrioten aufweisen kann, man einen so herrlichen Kopf in musenfreundlichen Gegenden im verborgenen schmachten lässt, an statt ihn mit Sorgfalt zu suchen. Sein geringes Vermögen , und als ein Landeskind geboren zu seyn , sind vielleicht die ächten Ursachen, welche ihn, wenn er auch bekannt seyn würde, wo nicht der Verachtung, doch einer kalten Gleichgültigkeit bloss stellen würden. Zum wenigsten hat der ehrliche Mann nicht Schulde daran, wenn er mit all seiner Fähigkeit dem Staate nichts nützet, und vor andern nicht gesucht wird. Ipse licet venias Musis comitatus Homere, Si nihil attuleris , ibis , Homere, foras. Nur Fürsten, Königen — sagt Corneille in seinen Horatziern — nur den Grossen dieser Erde, nur erhabenen Geistern kömmt es zu, das wahre Lob um das Vaterland bestverdienten Männer der ewigen Unwissenheit zu entreis- sen; diesen fehlt es niemal an Mitteln, die Tugend auch in ihren kleinsten Handlungen gross zu machen. C’est aux Rois, c’est aux Grands, c’est aux Esprits bien faets, A voir la vertá, en fes moindres eífets. C’est d’eux feuls qu’on re^oit une veritable gloire; Eux seuls des vrays heros assűrent la memoire. Nachdem also dieser gelehrte Mann von dem Daseyn der Gespenster sa gründlich gehandelt, so nehme ich Anlass , einige Anmerkungen über die vorgegebene Z au b er ey der Abgestorbenen unter dem Titel Vampyrismus anzuhangen, weil diese der ersten Materie ganz ähnlich ist. Diese Anmerkungen über die vorgegebene Zauberey der Abgestorbenen, lateinisch Magia posthuma, wurde im Jahre 1755 im Märzmonat in französischer Sprache von einem der berühmtesten Männer, die Europa aufzeigen kann, nämlich von Herrn Baron Gerhard van Swiclen, ersten Leib- Ärzten Ihrer kaiserl. Majestäten , und damaligen Hofbibliothecarius, den seine immer anwachsende Verdienste indessen zu grossem Titel, Ansehen und Ruhm erhoben haben) zu Wien verfasset und gedrucket1). Sie ist bald hernach im ') Im Jahre 1755 den 30. Jänner lief in Wienn mit Erslaunung des Volkes die Nachricht ein von einem neuen und seltsamen Process, welchen man in einem Dorf von Mähren an jener Gegend , wo es mit Ungarn und Schlesien gränzet , wieder die Abgestorbenen vorgenommen hat , und die Vollziehung des richterlichen Ausspruches icider dieselben wurde von einigen je weniger erleuchteten , desto mehr gefährlichen Geistlichen gut geheissen. Da nun diese Zeitung ihrer kaiserl, künigl.. apostolischen Majestät, der vorsichtigsten Monarchinn , zu Ohren kam , wurde ihr mildes Gemüth dadurch so sehr bewegt, dass sie den Herrn W ab s t, hernach ersten Leibärzten der kaiserl. künigl. Armeen, und den Gasser alsdenn Profes- sorn der Anatomie, zween erfahrneste Naturkundiger , ohne Verweilen dahin abgeschickt hat, um den Verlauf und die Umstände der Begebenheit einzuholen. l\ach öfterem genauen Versuchen , nach reifem Unterricht und scharfen Examen haben diese zween vorhergedachte Männer durch ihre Gelehrtheit endlich eingesehen, dass der ganze Lärm von nichts andern herkömme , als von einer eitlen Furcht , von einer abergläubischen Leichtgläubigkeit , von einer dunkeln und bewegten Phanta- sey , Einfall und Unwissenheit bey jenem Volke. Man hat hierauf die Beweise der zween vorsichtigen Naturlehrer eingesehen; man hat (len lächerlichen aber doch