Grosse, Johannes dr.: Ignaz Philipp Semmelweis, der Entdecker der Ursache des Kindbett-Fiebers (Leipzig-Wien, 1898)
Erster theil. Die Wirksamkeit von Semmelweis in Wien
22 zeige, die sicli bei Anatomen und Chirurgen nach Verwundungen an Leichen und Imprägnierung der frisch verletzten Stellen mit in Fäulniss begriffenen organischen Stoffen auszubilden pflegt, habe ihn zu der Ueberzeugung geführt, dass das Puerperalfieber gleichfalls ein durch Aufnahme faulender organischer Stoffe von Seiten der inneren Umkleidung des Uterus in das Blut der Mutter erzeugter pyämischer Process sei, und dass die fortwährend neue Einschleppung solcher Stoffe gerade auf die erste geburtshilfliche Schule in dem heutzutage häufigen Secieren der Leichen von Seiten der Assistenten und Schüler dieser Klinik vorzugweise begründet sei, ohne dass aber eine andere Uebertragnngs- weise faulender organischer Bestandteile auf den mütterlichen Organismus ausgeschlossen bleibe, wie eine solche bei in Zersetzung übergegangenen Besten des Mutterkuchens, beim ununterbrochenen Touchieren von kranken und gesunden Schwängern und Wöchnerinnen, sodann bei andern Patientinnen, die an einer Auflösung der Säfte darniederliegen, angenommen werden müsse. Dieser Idee folgend, habe er eingeführt, dass jedweder der Schüler oder sonst Untersuchenden vor jeder Exploration einer Schwängern, Kreissenden oder Wöchnerin seine Hände in einer Chlorkalklösung sorgfältig wasche, um so jedes möglicherweise an den Fingern haftende, faulende organische Atom, selbst bis auf den Geruch desselben vollends zu tilgen, und siehe da, der glänzendste Erfolg krönte dies Verfahren, und zwar durch nun schon volle 3 Jahre. Die Sterblichkeit, die sonst 8’3°/0 der Wöchnerinnen auf der ersten geburtshilflichen Klinik betrug, sei nun die auch in der Privatpraxis und auf andern Gebärkliniken beobachtete, nämlich von 2‘3°/c geworden. Weitere Gründe für den endemischen Charakter des Kindbettfiebers seien, dass dasselbe ausserhalb der Gebärhäuser nicht so um sich greife, die Jahreszeiten keinen Einfluss üben, dasselbe auch nach traumatischen Verletzungen, wie sonst keine epidemische Krankheit entstehe, und auch bei Thieren, aber nur sporadisch, sich zeige, so wie es selbst künstlich bei letzteren erzeugt werden könne. Das Puerperalfieber sei daher nach dem oben angegebenen Wesen desselben eben so wenig eine contagiose als für sich