Grosse, Johannes dr.: Ignaz Philipp Semmelweis, der Entdecker der Ursache des Kindbett-Fiebers (Leipzig-Wien, 1898)
Erster theil. Die Wirksamkeit von Semmelweis in Wien
specifische Krankheit, sondern entwickle sieh dadurch, dass ein in Fäulniss übergegangener thierisch-organischer Stoff, gleichviel von welchem Kranken immer, und gleichviel, oh vom lebenden Organismus oder vom Kadaver stammend, aufgenommen in die Blutmasse der Wöchnerin die puerperale (pyämische) Blut- entmischung erzeuge, hierauf die bekannte Exsudation und als drittes die Metastasen bilde. Beigebracht aber würden diese Stoffe dem weiblichen Organismus mittelst des untersuchenden Fingers, oder durch den Gebrauch damit imprägnierter Gerätschaften, oder auch durch die nach der Geburt in die Uterushöhle dringende, mit faulenden Stoffen geschwängerte Luft. Daher sei eine Verhütung dieser Krankheit möglich durch Reinigung der Finger, der Utensilien und der Luft, worauf sich nur mehr einzelne Fälle vom Puerperalfieber ergehen würden, wie jene nach zurückgebliebenen faulenden Decidua- oder Placenta- Resten, sodann durch Risse und Quetschungen am Muttermund etc. etc. Als die Stelle, wo die Resorption geschehe, bezeiehnete Semmelweis jene mit dem untersuchenden Finger erreichbare Partie unmittelbar ober dem inneren Gebärmuttermunde, die während der Schwangerschaft von den Eihäuten bedeckt, ihrer Schleimhaut verlustig und so zur Resorption geeignet sei. Die Scheide aber sei mit allzu dickem Epithelium und Schleime überzogen, als dass sie resorptionsfähig wäre. Am zugänglichsten sei die Uterushöhle während der ersten und zweiten Geburtsperiode. Am 18. Juni 1850 liess Dr. Semmelweis einen zweiten Vortrag folgen, in welchem er die gegen seine Entdeckung vorgebrachten Einwände einer kritischen Besprechung unterzog.20) In einer dritten Sitzung, die am 15. Juli 1850 stattfand, befasste sich die Gesellschaft auf Vorschlag des Vorsitzenden Rokitansky mit der Discussion der Frage.21) Die Debatte schloss in einer für Semmelweis derartig 2Ü) Vergl. das Protokoll dieser allgemeinen Sitzung im VI. Jahrgänge der Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte zu Wien, p. CXXXVII. 21) Vergl. das Protokoll dieser allgemeinen Sitzung im VII. Jahrgange der Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte zu Wien, p. III.