Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)
1846-1850. Assistent in Wien. Entdeckung der Ursachen des Kindbettfeiebers. Erfolge und Verfolgungen. Dozent. Abreisen von Wien
24 Gebäranstalten herrschenden Puerperalfieber hiermit dem ärztlichen Publikum mitzuteilen. Herr Dr. Semmelweis, der sich bereits über 5 Jahre im hiesigen k. k. Krankenhause befindet, sowohl am Seziertische, als auch am Krankenbette in den verschiedenen Zweigen der Heilkunde sich gründlich unterrichtete, und endlich während der letzten 2 Jahre seine spezielle Tätigkeit dem Fache der Geburtshilfe zuwendete, machte es sich zur Aufgabe, nach der Ursache zu forschen, welche dem so verheerenden, epidemisch verlaufenden Puerperalprozesse zugrunde liege. Auf diesem Gebiete wurde nun nichts ungeprüft gelassen, und alles, was nur irgend einen schädlichen Einfluß hätte ausüben können, wurde sorgfältig entfernt. Durch den täglichen Besuch der hiesigen pathologisch-anatomischen Anstalt hatte nun Dr. Semmelweis den schädlichen Einfluß kennen gelernt, welcher durch jauchige und faulige Flüssigkeiten auf selbst unverletzte Körperteile der mit Leichensektionen sich beschäftigenden Individuen ausgeübt wird. — Diese Beobachtung erweckte in ihm den Gedanken, daß vielleicht in Gebäranstalten von den Geburtshelfern selbst den Schwangeren und Kreißenden der furchtbare Puerperalprozeß eingeimpft werde, und daß er in den meisten Fällen nichts anderes als eine Leicheninfektion sei. Um diese Ansicht zu erproben, wurde auf dem Kreißzimmer der ersten geburtshilflichen Klinik die Anordnung getroffen, daß jeder, der eine Schwangere untersuchen wollte, zuvor seine Hände in einer wässerigen Chlorkalklösung (Chlor, calcis unc. 1. Aquae fontanae libras duas) waschen mußte. Der Erfolg war ein überraschend günstiger; denn während in den Monaten April und Mai, wo diese Maßregel noch nicht gehandhabt wurde, auf 100 Geburten noch über 18 Tote kamen, verhielt sich in den folgenden Monaten bis inklusive 26. November die Anzahl der Toten zu der der Geburten wie 47 zu 1547, d. h. es starben von 100 2'45. Durch diese Tatsache wäre vielleicht auch das Problem gelöst, warum in Hebammenschulen ein so günstiges Mortalitätsverhältnis im Vergleich zu den Bildungsanstalten für Geburtshelfer herrscht, mit Ausnahme der Maternité in Paris, wo — wie bekannt — die Sektionen von Hebammen vorgenommen werden. Drei besondere Erfahrungen dürften vielleicht die soeben ausgesprochene Überzeugung noch weiters bestätigen, ja sogar den Umfang derselben noch erweitern. Dr. Semmelweis glaubt nämlich nach- weisen zu können, daß 1. durch vernachlässigtes Waschen einiger mit Anatomie sich beschäftigende Schüler im Monate September mehrere Opfer gefallen sind; daß 2. im Monate Oktober durch die häufige Untersuchung einer an verjauchendem Medullarsárkom des Uterus leidenden Kreißenden, wonach die Waschungen nicht beobachtet wurden, sowie endlich