Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

1818-1845. Kindheit und Jugendjahre

4 der zu jener Zeit allgemein verbreiteten Anschauung, daß das Kind­bettfieber (auch Wochenbett- oder Puerperalfieber genannt) epidemisch auftrete, und erklärte den Fall in der Weise, daß die epidemischen Einflüsse manchmal so bösartig seien, daß selbst nicht im Puerperal­zustande befindliche Individuen vom Puerperalfieber ergriffen würden. Seine richtige Erklärung fand der Fall erst nach Jahren durch Semmel­weis’ Lehre. Wohl vorbereitet, bestand letzterer die Prüfung „bene” und wurde am 1. August 1844 zum Magister der Geburtshilfe promoviert.*) Da­mals entschied er sich, Geburtshilfe und Gynäkologie als sein Spezial­fach zu wählen, nicht etwa angezogen durch die Persönlichkeit des Professors dieses Gegenstandes, sondern rein aus Interesse für dieses Fach. Abgesehen von dem verstorbenen Jacquin und von Endlicher flößte ihm keiner der offiziellen Verschleißer der Wissenschaft beson­dere Begeisterung ein. Desto mehr aber schätzte er einige jüngere Lehrer, deren Stern im Kampfe mit der offiziellen Schule erst im Auf­gehen begriffen war, deren Bedeutung jedoch nur scharfblickende Studenten ahnen mochten. Das waren Rokitansky, Skoda und Hebra. Rokitansky wurde gerade damals (1844) im Alter von 40 Jahren zum o. ö. Professor der pathologischen Anatomie ernannt, dessen Vor­lesungen von nun an für die Studierenden obligat waren. Semmelweis hatte sie schon als inobligate besucht und mit großem Eifer dort seziert, wobei er schon auf gynäkologische Studien Bedacht nahm. Skoda, damals 39 Jahre alt, blickte auf eine bewegte Laufbahn zurück. Als Sekundarius des Allgemeinen Krankenhauses hatte er sein später so berühmt gewordenes Lehrbuch der Perkussion und Auskul­tation (1839) geschrieben, für dasselbe jedoch nur den Spott des ton­angebenden inneren Klinikers, des Professors v. Hildenbrand, ge­erntet, der ihn seinerzeit in der Staatsprüfung hatte durchfallen lassen. Auch der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses, Schiffner, war ihm nicht wohlgesinnt, und als von Seite seiner Abteilungspatienten Klagen einliefen, daß er sie durch das viele Klopfen und Abhorchen belästige und ihre Qualen vermehre, versetzte ihn Schiffner an die Irrenanstalt. Indes, sein bisheriger Chef, Primarius Dr. Ratter, hatte den Mut, sich des Verfolgten anzunehmen, indem er ihm auch ferner­hin seine Abteilung zur Verfügung stellte. Dadurch wurde es Skoda ermöglicht, seine Untersuchungen fortzusetzen. Auf die Dauer freilich war diese Lage unleidlich, Skoda suchte fortzukommen, und noch im Jahre 1839 übernahm der geniale Diagnostiker die Stelle — eines Polizeibezirksarztes in St. Ulrich an. Doch er hatte einflußreiche Gönner, welche seine wissenschaftlichen Leistungen zu würdigen verstanden, so den Präses der medizinischen Fakultät in Prag, Professor Dr. Ignaz v. Nadherny, sowie den trefflichen Freiherrn v. Türkheim, der als Vizedirektor der Studien-Hofkommission und Referent für Medizinal­*) Pedellen amt.

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