Kalocsai Főegyházmegyei Körlevelek, 1919
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Mit solchen und ähnlichen Worten wird das neue Evangelium verkündet, welches scheinbar der Menschenwürde schmeihelt, eigentlich aber in einer der wichtigsten Lebensfragen irreführt, die Erziehungsweise der Kinder auf den Kopf stellt, das gesellschaftliche Leben umstürzt, das Leiden und die Verdienste Christi mit Undank erwiedert. Ist nun die Lehre von der Erbsünde wirklich nur ein Märchen ? Wenn das so ist, wie kann man dann die Erfahrungstatsache erklären, dass einem jeden Menschen, sei er arm oder reich, wohne er im kalten Norden oder unter der heissen Zone, eine gewisse Neigung zum Bösen innewohnt ? Ein jeder weiss aus Erfahrung, dass unser Verstand und Wille von Natur aus zum Erkennen und noch mehr zum Befolgen des Guten zu schwach ist, denn öfters wüssten wir wohl, was wir tun sollten, tun es aber doch nicht. Im Greisenalter noch müssen wir die Schwäche der menschlichen Natur mit Beschämung eingestehen, sie zeigt sich aber, wie es die Mütter recht gut aus Erfahrung wissen, auch im Troz und Eigensinn der Kinder. Diese Doppelnatur des Menschen wurde nicht erst in neuester Zeit erkannt, seitdem es denkende Menschen gibt, ist die Menschheit dessen bewusst, dass die menschliche Natur verdorben ist. Dieses allgemeine Bewusstsein weist aber auf eine gemeinsame Ursache zurück, auf die ersten Eltern und ihren Sündenfall. Zu was dient nun die Erziehung, die Schule? Nicht wahr dazu, um in dem heranwachsenden Kinde die unordentlichen Neigungen mittelst Belehrung und Erziehung zu bezähmen und die guten Eigenschaften zu kräftigen ? Warum hält das katholische Volk so fest zu den katholischen Schulen ? Weil es gut weiss, dass alles, was in den katholischen Schulen vorgenommen wird, die Lesestücke, der Religionsunterricht, das Gebet, der Kirchenbesuch, der Empfang der Sakramente, nur dazu dienen, die Schuljugend nebst Beibringung der nötigen und nützlichen Kenntnisse zu guten Menschen zu erziehen. Das vorzüglichste und sicherste Erziehungsmittel ist eben der christliche Glaube, der Rechenschaft fordert selbst über die geringsten Vergehen und dem Menschen ununterbrochen das erhabenste und verehrungswürdigste Vorbild in Jesu Christo zur Befolgung vorhält. Der Kampf zwischen dem Guten und Bösen steht niemals still, da ja der Keim des Bösen in unserem Herzen ligt. Daher auch das Aufseufzen des hl. Paulus: „Ich unglücklicher Mensch \ wer wird mich von dem Leibe dieses Todes befreien ?" (Rom. 7, 25.) Er bringt auch gleich die Antwort: „Die Gnade Gottes durch Jesum Christum unseren Herrn." (Rom. 7, 25.) Das Gotteshaus ist die Hochschule des christlichen Volkes, in welchem der Kampf wider das Böse ohne Unterlass gekämpft wird, mit Ermahnung und Aneiferung von der Kanzel, mit den hl. Sakramenten, welche uns die Hilfe und Gnade Gottes zuführen. Wo die Worte des Glaubens beherzigt werden, wird auch die rohe, selbstsüchtige, naschhafte, unordentliche menschliche Natur bezähmt werden, wird ein regelmässiges, nüchternes und ehrsames Leben erblühen. Wo aber in den Schulen andere Grundsätze bei der Erziehung angewendet werden, wo die menschliche Schwäche nicht bekämpft, im Gegenteil dieser noch geschmeichelt wird, wo die Begriffsverwirrung schon so weit geht, dass sie die Tugend für Sünde und die Sünde für Tugend ausgibt, dort wird alsbald Verkehrtheit, Anarchie, Ungerechtigkeit und Gewalttätigkeit herrschen. Das Eigentumsrecht, hört man sagen, soll die Sünde verursachen, darum müsse es abgeschafft werden. Wenn das wahr wäre, dann müssten alle Feuer ausgelöscht werden, weil das Feuer auch zum Brandstiften missbraucht wird ; dann müsste der