Kalocsai Főegyházmegyei Körlevelek, 1917
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— 23 — reissen, und das böse Vorhaben derselben in seiner ganzen Nacktheit der Welt zu zeigen. Der Krieg ist auf solche Weise eine Hochschule für die Völker, in welcher sie "ihre Führer, ihre Fehler und Vergehungen kennen und einsehen, die Rechte anderer Nationen anerkennen und in Ehren halten, den lügenhaften Schlagwörtern nicht glau ben, dem räuberischen Vorhaben entsagen lernen. Uns aber, die wir das richtige Mass Unserer nationalen Aufgaben und Bestrebungen nicht überschritten haben, sondern nur unser Eigenthum verteidigen, soll diese mit so vielem Bürgerblute, unter unermässlichen Leiden verteidigte Erde, unser Vaterland in Zukunft noch teurer sein, als bisher; die handgreifliche Hilfe der göttlichen Barmherzigkeit soll in uns den innigsten Dank gegen Gott erwecken, uns zum festen Entschluss anspornen, das Vaterland, das uns Gott in diesem Weltkriege von neuem schenkt, mit vermehrter Treue, Hingabe, und Arbeitsfreude zu lieben, kräftigen und zur Blüte zu verhelfen. Der Weltkrieg kann uns aber auch noch auf verschiedene Weise zur Lehre dienen. Wenn wir die Frage stellen, was eigentlich unsere Feinde dazu bewogen, nach unserem Leben zu trachten, so finden wir darauf keine andere Antwort, als die, dass der Beweggrund der Weltverschwörung gegen uns die ungezügelte Selbstsucht, und Habgier der Feinde war. Diese böse und gelährliche Leidenschaft verblendete die sonst edlen Völker, verführte sie zu einem unehrlichen Vorgehen, zu völkervernichtendem, ungerechtem Angriffe. Da wir nun über unsere Feinde Gericht gehalten haben, wollen wir auch mit uns selbst ins Gericht gehen, und uns fragen, Ob die schreckliche Sünde, die den Weltumsturtz verursachte, sich nicht auch bei uns eingenistet hat? Um darauf antworten Zu können müssen wir zwischen dem Anfang des Krieges, seinen Beweggründen, und den [ unter dem Kriege gemachten Erfahrungen ' unterscheiden. Zum Kriege wurden wir gegen unseren Willen gezwungen, die niederträchtige Schandtat zu züchtigen griffen wir zu den Waffen, ohne alle Begierde auf fremdes Eigenthum. Die Lauterheit unseres Beweggrundes erhebt uns hoch über unsere Feinde und erklärt uns auch die grosse Barmherzigkeit der göttlichen Vorsehung, die uns gegen alle menschliche Berechnung, über unsere an Zahl uns überlegenen, mit bedeutend reichlicheren Hilfsmitteln versehenen Feinde nicht nur zum Siege verhalf, sondern auch unser Land von Verwüstung bewahrte. Wenn wir aber die während des Krieges gemachten Erfahrungen betrachten, so müssen wir es mit Bedauern sehen, dass der Teufel der Habsucht auch viele zu masslosem Wucher verleitet hat, den ein guter katholischer Christ mit Schauder vermeiden wird. Die Umstände des Krieges brachten eine Menge Geldes unter die Leute. Der schnell und leicht erworbene Reichtum hat viele zu unvernünftigem Luxus, Verschwendung und Genusssucht verleitet, und was noch ärger ist, die Goldgier und das Verlangen nach noch grösserem Reichtum wurde Herr über die Menschen. Diese Goldgier, das umbezähmte Streben nach Reichtum, gebärt die Preiserhöher, die Wucherer, ein ganzes Heer von Sensalen ; nimmt den Armen, Wittwen und Waisen, auch denjenigen die früher ihr gutes Auskommen hatten, den Bissen vom Munde weg, schraubt den Preis der Lebensmittel, der Kleidungsstücke, und aller zum Leben notwendigen Sachen auf eine unerschwingliche Höhe hinauf. Mir scheint, die Menschheit ist durch die Greuel des Krieges noch nicht klug genug geworden, sonst wäre dieser gefährliche Wucher nicht überall so herangewachsen. Die Behörde, das Gericht sucht und forscht wohl nach