Inventare Teil 9. Inventar des Verkehrsarchivs in Wien (1959)

Die Bestände des Verkehrsarchivs: - A. Selekte und Gesamtregistraturen von Hofstellen und Ministerien

28 gesetz, nämlich über die Herstellung von Zufahrtsstraßen in diesem Kronland. Der Bau von Eisenbahnen nahm in den ersten Jahren des Bestandes eines reinen Handelsministeriums einen jähen Aufschwung, der in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte eine einmalige Erscheinung darstellt. Im Jahre 1871 konnten allein 1238 neue Eisenbahnkilometer dem öffentlichen Verkehr über­geben werden. Diese ungewöhnlich starke Bautätigkeit läßt sich auf ver­schiedene Ursachen zurückführen: abgesehen von der Klärung der Stellung der Monarchie und Entdeckung neuer Kohlenfelder, brachten Rekordernten an Getreide in den Jahren 1867/68 den bestehenden Bahnen besonders gute finanzielle Ergebnisse, die wieder auf die Spekulation in Eisenbahnpapieren anregend wirkten. Von den meistens unter Zusicherung staatlicher Garantie arbeitenden Eisenbahngesellschaften wurden während der sogenannten „Gründerjahre“ u. a. folgende wichtige Linien gebaut: 1868/69 die ersten Teilstrecken der Rudolfs- und Franz-Josefsbahn sowie der Mährisch-Schlesi­schen Nordbahn und Kaschau-Oderbergerbahn, 1870 fand die Eröffnung des Ergänzungsnetzes der Staatseisenbahngesellschaft statt und im folgenden Jahr diejenige der Pustertallinie der Südbahngesellschaft; in den Jahren 1872/74 waren bereits alle Hauptlinien der Franz-Josefs-, Rudolfs-, Albrechts- und Nordwestbahn sowie die gesamte Vorarlbergerbahn und Ungarische Westbahn (Graz-Fehring) in Betrieb. Verschiedene reelle, in vielen Fällen oft auch phantastische Projekte gelangten nicht mehr zur Konzessionierung, bzw. zur Ausführung, worüber eine Fülle erhalten gebliebener Konzessions­ansuchen genügend Aufschluß gibt. Die durch den „Schwarzen Freitag“ an der Wiener Börse ausgelöste Wirtschaftskrise brachte nicht nur die Eisen­bahnhautätigkeit völlig zum Erliegen, sondern führte auch bei den in Be­trieb befindlichen Bahnen zu großen finanziellen Schwierigkeiten. Neue Kon­zessionen wurden nur mehr vereinzelt erteilt, die Linien Hallein-Wörgl und Bischofshofen-Selzthal der Elisabethbahn (1875) und Stainach-Irdning- Schärding der Rudolfsbahn (1877) sind wohl die einzigen Bahnen von Be­deutung, die noch in diesen Jahren eröffnet wurden. Nur als Notstandsmaß­nahmen der Staatsverwaltung sind der Bau von kleineren Linien in verschie­denen Teilen der Monarchie (zunächst 1873: Tarnów-Leluchów, Divaöa-Pola, Spalato-Siveric und Rakonitz-Protivin) sowie die Übernahme bereits be­stehender notleidender Bahnen (Niederösterreichische Südwestbahnen, Braunau - Straßwalchen und Dniesterbahn) zu werten. Alle neu­gebauten Linien wurden jedoch mit Ausnahme der völlig isolierten Strecken in Dalmatien an Privatbahngesellschaften verpachtet. Den eigentlichen Anstoß zur Rückkehr zum Staatsbahnsystem gab jedoch die finanzielle Lage der garantierten Bahnen, die den Staatsschatz in steigendem Maße bean­spruchten. Durch das sogenannte Sequestrationsgesetz vom 14. 12. 1877 (RGBl. 112) wurde die Regierung ermächtigt, unter gewissen Voraussetzungen den Betrieb staatlich garantierter Bahnen zu übernehmen. Auch die Heraus­gabe verschiedener anderer Gesetze und Verordnungen ist durch die Ereignisse der Jahre 1873 beeinflußt worden; an erster Stelle ist wohl das heute noch in

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