Inventare Teil 9. Inventar des Verkehrsarchivs in Wien (1959)

Das Wiener Verkehrsarchiv

8 als auch der ehemaligen Eisenbahnsektion des Handelsministeriums weiter­zuführen hatte. Wie stand es nun mit dem Registraturwesen der staatlichen Eisenhahn­verwaltung hei der Errichtung dieses neuen Ministeriums ? Bei allen Behörden, staatlichen und privaten Eisenbahnverwaltungen waren im Laufe der Jahre Akten, Urkunden und Pläne entstanden, die für die jeweilige betriebsführende Verwaltung eine große Bedeutung besaßen; das erklärt sich im besonderen aus der Vielfältigkeit der Rechtsbeziehungen, die bei jedem Bahnunternehmen von der Gründung an weiterwirken. Es hätte jedoch im Interesse der Verwal­tung gelegen sein müssen, für eine dauernde und zweckentsprechende Auf­bewahrung dieser Behelfe zeitgerecht entsprechende Vorsorge zu treffen. Leider war dies nicht der Fall. Wohl wurde schon im Jahre 1850 ein eigenes Archiv bei der Generalbaudirektion eingerichtet; nach der Auflösung dieser Behörde wurden wieder die gesammelten Bestände in alle Winde zerstreut. Die Schriftenregistraturen staatlicher Eisenbahnhehörden blieben im all­gemeinen zwar erhalten, lagerten jedoch bei ressortfremden Behörden, wo sie der Eisenbahnverwaltung praktisch entfremdet wurden und allmählich in Vergessenheit gerieten. Planlose Skartierungen haben allerdings in Einzel­fällen wahrhaftig Verheerungen angerichtet, so z. B. bei der Hofkanzlei (Aus­scheidung aller nicht ausgeführter Projekte, Erfindungen usw.) und bei der Generalinspektion, wo sogar ganze Jahrgänge verstampft wurden. Noch schlimmer wurden die Registraturen von Privatbahnen hei ihrer Verstaat­lichung behandelt: man empfand sie als lästigen Ballast, soweit man diese nicht gleich skartierte, brachte man sie in feuchten Lagerräumen unter, wo sie der allmählichen Vermoderung anheimgefallen wären. Die Staatsverwaltung erlitt jedoch durch diese Mißachtung in Einzelfällen schwere finanzielle Ein­bußen, da die Unterlagen zur Abwehr unberechtigter Ansprüche von Privat­parteien oder zur Durchsetzung von Forderungen an diese fehlten. Auch mit den Urkunden und Plänen verfuhr man nicht viel besser. Diese wurden als freistehende Sachen behandelt, jede Dienststelle nahm gerade diejenigen Stücke, die sie brauchte oder man legte sie mit anderen Beständen mehr oder minder zweckmäßig geordnet zusammen, sodaß der organische Zusammenhang im Laufe der Jahre vollkommen verlorenging. Auf Anregung des nachmaligen Sektionschefs Dr. Alfred Freiherrn von Bus chman sollte ein neu zu schaffendes, eigenes Archiv diese für die Ver­waltung auch in finanzieller Hinsicht sich auswdrkenden Übelstände abstellen. Erst sekundär spielte der Gedanke der Errichtung einer eigenen Institution für die Quellenforschung zur Geschichte des heimischen Eisenbahnwesens eine Rolle. An und für sich ist gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein stärkeres Interesse für das Archivwesen in verschiedenen Kreisen wahrzu­nehmen: 1894 kam es ja auf Grund einer Anregung im Herrenhaus zur Bildung eines eigenen Archivrates im Innenministerium, und in diese Epoche fällt auch die Gründung anderer Ministerial- und Landesarchive; dieses günstige „Klima“ war auch zweifellos mitbestimmend für die Schaffung eines eigenen Eisen­bahnarchivs. l*

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