Inventare Teil 8. Inventar des Kriegsarchivs in Wien (1953)

I. Band - 3. Das Personal des Kriegsarchivs

29 des Kaisers Franz entsprach es, daß er für den definitiven Archivdienst außer dem Direktor nur zwei Offiziere nebst einem Kanzleibeamten bewilligte. Mit so wenig Leuten war die kaum begonnene, durch zwei Verlagerungen unterbrochene Ordnung der Aktenbestände nicht zu bewältigen. Es bedurfte nachdrücklicher Vorstellungen des Direktors und Radetzkys, um für diese Arbeiten noch Hilfskräfte zu erhalten. Dabei umschrieb Obst. Ernst auch die erwünschten Kenntnisse und Eigenschaften der Archivoffiziere82): Das frühere Personal habe zwar gesammelt, aber nicht geordnet; durch 8 Jahre sei in dieser Hinsicht fast nichts geleistet worden, weil die damit betrauten Personen „weder die hinlänglichen Kenntnisse, noch Fleiß und Ord­nungsgeist“ besaßen. Zum Archivdienst gehöre Vorliebe, Rechtschaffenheit, Verschwiegenheit und unermüdlicher Arbeitseifer. Kenntnisse seien erforder­lich aus „Geschichte, Zeitrechnung, Graphik, Altertums- und Sprachenkunde, zum Teil Diplomatik und Kritik; endlich Kenntnis der verschiedenen Registra­turs-Manipulationen der älteren und neueren Zeiten. In Ermangelung dieser Kenntnisse wird der beste Wille und der rastloseste Fleiß in diesen Arbeiten nichts zustande bringen, wohl aber nicht selten die schon aus dem Zusammen­hang gekommenen Stücke in noch größere Unordnung bringen.“ FML. Radetzky entschied darauf als Vorgesetzter, daß zwischen der wissenschaftlichen Auswertung des Archivs und seiner inneren Einrichtung, auf die es wegen ihrer Rückständigkeit jetzt ankam, zu unterscheiden sei. Der Aktenbestand reiche nicht so weit in die Vergangenheit zurück, daß das Ver­ständnis viele Vorkenntnisse erfordere; über einzelne alte Stücke dunklen Inhalts könne man „durch Nachfrage bei anderen Archiven, wo die voraus­gesetzten, bei uns entbehrlichen Kenntnisse wirklich zu Hause sind“, Auf­klärung einholen. Der Geschichtsforscher könne aber Quellen nur benützen, die nach Zeitfolge geordnet, deren Inhalt in Registern verzeichnet und die leicht auszuheben seien. Dazu gehöre nur Fleiß und Ordnungsliebe. Von den mit Ordnungsarbeiten Betrauten sei zu fordern: die Fähigkeit, einen kurzen, bündigen Auszug (für das Register) anzufertigen und das Verständnis für die Anlage der vorgeschriebenen Fundbehelfe; Kenntnis der gangbaren Spra­chen, Latein, Französisch, Italienisch, wobei sich die Bearbeiter gegenseitig auszuhelfen hätten. Seltener vorkommende Sprachen wie Spanisch, Englisch, Russisch, Ungarisch dürften nicht zur Bedingung gemacht werden, um die Personenwahl nicht unnötig zu erschweren. Endlich müsse der Bearbeiter die von der gregorianischen Zeitrechnung abweichenden Kalender zu vergleichen verstehen, wofür es Behelfe gebe. Mochten diese Ansichten des Generalstabschefs zwar für die Masse der Feldakten zutreffen, so blieb doch die Schwierigkeit bestehen, fachlich ge­bildete Offiziere für die Bearbeitung der alten Bestände zu finden. Der größte Teil der ältesten Akten bis zum 30jährigen Krieg herab — so berichtete der Direktor 1816 — sei so unverständlich, „oft wahrhaft chaldäisch“ geschrie­ben, daß zu deren „Dechiffrierung“ eine lange Übung gehöre; außerdem seien Kenntnisse aus der Geschichte und besonders der „altdeutschen Mund- und Schreibart aus den damaligen Zeiten“ erforderlich32 33). Von allen Personen, 32) Bericht des Direktors Obst. Ernst vom 9. Februar 1812 (Aktensammlung zur Geschichte des KA., I). 33) Die Klagen über die schwere Lesbarkeit der alten Akten tauchen in den Tätigkeitsberichten immer wieder auf. 1822 wurden einige Faszikel, die gewiß noch nicht „zu den unleserlichsten gehören“, dem Generalstabschef „zur gütigen Be­urteilung“ vorgelegt. 1824 heißt es, man müsse die äußerst unleserlichen Schriften „gleich Hierogliphen“ mühsam entziffern. Besondere Mühe bereitete der italienisch geschriebene Nachlaß Montecuccoli’s.

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