Inventare Teil 7. Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (1951)

Das Wiener Hofkammerarchiv

XXX Das Wiener Hofkammerarchiv 2. die als »Hungarica« bezeichneten etwa 4400 Faszikel (auch wenn sie nebenher »Österreichisches« enthalten sollten) ebenso unbesehen an Ungarn auszuliefern wären, daß 3. eine dritte Partie, etwa 8800 Faszikel, gemischte Bestände darstellend, durch von beiden Seiten zu entsendende Beamte im Verein mit dem Amtspersonale des Reichsfinanzarchivs auf ihren ungarische Dinge betreffenden Inhalt durchgesehen werden solle“. Die ungarischerseits sogleich aufgenommene Überprüfung der als Materia mixta erklärten 8800 Faszikel währte mehrere Jahre — eine vergebliche Bemühung, denn der Sturz Badenis führte auf österreichischer Seite zu einem völligen Wandel der Auffassung: der neue österreichische Finanzminister Dr. Kaizl erklärte, eine Teilung des Hofkammerarchivs nicht zulassen zu können, vornehmlich wegen der „dadurch hervorgerufenen schweren Schädigung der wissenschaftlichen Interessen“ und der zu besorgenden „weiteren Exem­plifikationen“. Die österreichische Regierung trachtete nun mit den in solchen Fällen gebräuchlichen Mitteln — Nichterledigung gegnerischer Zuschriften, Erteilung ausweichender Antworten, Bestreitung einzelner der vorgebrachten Argumente usw. — die Entscheidung hinauszuzögern. 1906, im Zusammenhang mit der damals in Erwägung gezogenen Über­siedlung des Reichsfinanzministeriums nach Budapest, lenkte dann das in seinem Bestand immer noch sehr gefährdete Hofkammerarchiv erneut die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf sich, und es kam unter dem Eindrücke, daß hier ein schwerer Verlust drohe, zu Vorstellungen der Akademie der Wissenschaften beim Unterrichtsminister und zu Kundgebungen ver­schiedener der Pflege der vaterländischen Geschichte zugewandten Ver­einigungen und schließlich auch zu Interpellationen im Abgeordnetenhause, die Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch dahin beantwortete, daß die Ver­handlungen mit der ungarischen Regierung zu einem endgültigen Abschluß noch nicht geführt hätten und die österreichische Regierung die Interessen der diesseitigen Reichshälfte mit allem Nachdrucke wahren wolle. Dieser Festigkeit ist es zu danken, wenn das Hofkammerarchiv seine Bestände ohne Verlust bis zum Zusammenbruch der alten Monarchie zu bewahren vermochte. Aber auch die 1907 einsetzenden, trotz mehrfacher Fehlschläge immer wieder aufgenommenen Bemühungen Hans Schiitters, die Angliederung des Hofkammerarchivs an das von ihm geleitete Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu erreichen, scheiterten. Sie stießen immer wieder auf den Widerstand der österreichischen Regierung, die im österreichischen Finanz­ministerium den Rechtsnachfolger der alten Hofkammer sah und die Ver­einigung des Hofkammerarchivs mit dem Archiv des Finanzministeriums erstrebte. Auch der k. k. Archivrat trat für diese (österreichische) Lösung ein — eine Verbindung mit dem ja gleichfalls „gemeinsamen“ Staatsarchiv würde, so befürchtete man, die ungarischen Ansprüche eher neu beleben, als zur Ruhe bringen. Und so blieb dem Hofkammerarchiv seine alte Selbständigkeit bis über den ersten Weltkrieg hinaus erhalten. Hat nun aber auch die harte Auseinandersetzung mit dem zähen ungarischen Partner schließlich einen glücklichen Ausgang gefunden, die Jahrzehnte Währende Unsicherheit seiner Zukunft hat die organische Ausgestaltung des Archivs als einer wissenschaftlichen Anstalt doch einigermaßen gehemmt. Denn da man auf österreichischer Seite nie so ganz sicher sein durfte, ob nicht einmal politische Rücksichten zu einem Verzicht auf wertvolle Teile des Archivs

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