Inventare Teil 7. Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (1951)
Das Wiener Hofkammerarchiv
Das Wiener Hofkammorarchiv XXIX auf diesem Standpunkt verblieb die österreichische Regierung auch in den nächsten Jahren. Ihre damit eingenommene Haltung machte auch den Beschluß der ungarischen Delegation 1884 hinfällig, demzufolge „das in dem Cabinets-, Staats- und Wiener Hofkammerarchiv verwahrte ... historische Material (insofern die eine oder die andere Hälfte der Monarchie auf die dort befindlichen Urkunden keinen unmittelbaren Anspruch habe), sowie jenes im Kriegsarchiv ausgeschieden und daraus ein einheitliches, abgesondertes Archiv unter der Bezeichnung österreichisch-ungarisches Staatsarchiv geschaffen werden sollte“. Erst 1896 glaubte Ministerpräsident Graf Badeni angesichts der schwierigen Ausgleichs Verhandlungen den ungarischen Wünschen entgegenkommen zu sollen. Er einigte sich zunächst mit seinem Finanzminister dahin, „daß bei dem staatsrechtlichen Charakter der Frage archivalische und wissenschaftliche Rücksichten in die zweite Linie treten müßten“, und erklärte sich sodann den Ungarn gegenüber willens, „diejenigen Akten der allgemeinen Hofkammer, welche weder für das Gesamtreich noch für die diesseitige Reichshälfte ein Interesse hätten, vielmehr territoriale oder lokale Interessen der ungarischen Länder beträfen, ferner jene Akten-Convolute, die nur zufällig in das Hofkammerarchiv gekommen seien und mit der eigentlichen Bestimmung desselben keinen näheren Zusammenhang hätten, der königlich ungarischen Regierung ausfolgen zu lassen“. Der k. k. Archivrat, dessen Gutachten vorher einzuholen Badeni für überflüssig erachtet hatte, weil ja „die Frage der Herausgabe der Akten prinzipiell bereits erledigt sei“, sah sich vor vollendete Tatsachen gestellt, unterließ aber doch nicht, auf die außerordentlichen Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich bei der Ausscheidung der ungarischen Akten ergeben mußten; und er beantragte, der Ausscheidungskommission zwei von ihm zu benennende Fachleute beizuziehen und ihm ein Verzeichnis der abzutretenden Akten zur Begutachtung vorzulegen. Eine Mitwirkung vom Archivrat benannter Fachleute lehnte Badeni nun zwar aus formellen Gründen ab, zeigte sich aber geneigt, die von der Ausscheidungskommission aufgestellten Listen vom Archivrat überprüfen zu lassen. Dieses wenigstens teilweise Entgegenkommen des Ministerpräsidenten ist das erste Anzeichen seines bald noch lebhafter werdenden Wunsches, seiner den Ungarn gegebenen Erklärung „eine möglichst einschränkende Auslegung zu geben“ — es mochte ihm eine Note des Außenamtes, die von der Wahrscheinlichkeit einer „vollständigen Auflösung des Hofkammerarchivs“ sprach und für diesen Fall gewisse Aktenbestände dem Staatsarchiv sichern wollte, erst so recht die Augen über die möglichen Folgen der von ihm eingenommenen Haltung geöffnet haben. Daß Ungarns Ministerpräsident Baron Banffy Badeni auf seine etwas übereilte Zustimmung zur „Aufteilung“ oder „Zweiteilung“ des Archivs festzulegen sich bemühte, ist verständlich, er fand aber doch eine grundsätzliche Unterstützung seines Standpunktes nur beim Gemeinsamen Finanzministerium. Inzwischen hatte die Aufteilungskommission ihre Tätigkeit aufgenommen und auf Antrag ihres Vorsitzenden, des Hofrates Dr. Ludwig v. Thallóczy, im Dezember 1897 beschlossen, „das gesamte 22.462 Faszikel starke Material des Hofkammerarchivs in drei Hauptgruppen derart zu unterscheiden und zu behandeln, daß 1. die nur die österreichischen Länder betreffenden Aktenbündel (auch wenn sie nebenher »Ungarisches« enthielten) unbesehen in Wien zu bleiben hätten, daß