Inventare Teil 7. Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (1951)

Das Wiener Hofkammerarchiv

XXIV Das Wiener Hofkammerarchív krise schützend vor das Hofkammerarchiv stellten, hatten seine eigentliche, über die unmittelbaren Bedürfnisse der laufenden Verwaltung hinausgehende historische Bedeutung kaum noch erfaßt. Das zeigen schon die um diese Zeit erlassenen ersten Skartierungsvorschriften (1765, 1774, 1776). Das einzige Mittel, der immer drängender werdenden Raumnot beizukommen, glaubte man in der „Vertilgung“ der „ihres alterthums halber ohnehin nicht viel nuzenden Schriften“ zu haben. Aber die vollen Folgerungen aus dieser „Erkenntnis“ zu ziehen scheute man sich dann doch, und die vorweg für eine Ausscheidung in Betracht gezogenen Aktengruppen sind fast alle von geringem Gewicht. Und auch die Vernichtung dieser Bestände wurde den Beamten des Archivs nicht einfach so in Bausch und Bogen anheimgestellt, diese hatten vielmehr „angezohene Schriften förmlich specifice zu consigniren, in besondere fasciculn einzuteilen, darüber allmonatlich eine consignation zu überreichen und sofort den weiteren bescheid zu erwarten“. Ein äußerst umständliches, zeitraubendes Verfahren, dessen Schwerfälligkeit allein schon zweifellos einen gewissen Schutz für das Archiv bedeutete, allerdings aber auch natürlich das vor­schwebende Ziel nicht entfernt erreichen ließ: die „Ausklaubung“ der Hof­finanzakten 1660—1740 ergab „kaum 4 klafter in quadrat angehoften plazes“! Was aber gleichwohl diese frühesten SkartierungsanWeisungen zu einer latenten Gefahr für das Archiv machte, war die aus ihnen sprechende grundsätzliche Vernachlässigung aller historischen Interessen. Erst ein Hofkammerdekret vom 12. November 1782 stellte Richtlinien auf, die eine einigermaßen vertiefte Einsicht erkennen lassen. Jetzt wurde dem Hofkammerarchivdirektor Johann Florian Baumberg „bedeutet, dass. .. bey jeder actenVertilgung zum haupt- augenmerck genommen werden müsse, dass durch die abgezweckte gewinnung des raums nicht etwa dem unterricht der nachweit durch Zerstücklungen oder verursachende lücken im ganzen schaden gethan, beweisführungen erschweret oder die kenntniss dies oder jenen merkwürdigen umstandes gehindert werde ... Ein actenverwahrungsort, wie das hofcammerarchiv, fasse mannigfaltige gegenstände in sich, an deren erhaltung nicht nur dem Staate, sondern auch manchem individuo wegen ihrer relativen Wichtigkeit vieles gelegen seyn könne ... “. Demnach dürfte nichts, „so wegen erheblichkeit des gegenständes einst als ein hilfsmittel oder beitrag zur geschichte oder Chronologie dienen könnte“, vernichtet werden; ein Gleiches sollte gelten für Urkunden, die „zur illustration von familien, adelsbriefe, erprobung geleisteter wichtiger dienste u. d. g. anwendbar“ seien oder „von ehmaligen besitzungen, ansprüchen, Verträgen, Übertragungen, besätzungsneuerungsrechten etc. handelten“. Zu schonen waren ferner alle „mit handunterschriften von souverains, obschon über minderwichtige angelegenheiten versehene Originalresolutionen, re- scripten etc.“ und „all jene urkunden, so seltene oder merkwürdige begeben- heiten ... enthielten oder zur Schilderung der sitten älterer Zeiten dienen“ könnten. Leider hat man später nicht immer die gleiche Ehrfurcht vor der geschichtlichen Vergangenheit bewiesen, und knapp nach der Jahrhundert­wende erhob sich für das Hofkammerarchiv erneut, und diesmal drohender als 1762, die Gefahr der Aufhebung. Im Frühjahr 1801 war Direktor Johann Florian Baumberg gestorben, und Kaiser Franz II. wendete die Frage der Neubesetzung seiner Stelle zur Frage der Daseinsberechtigung des Archivs. Oberstkanzler Graf Prokop Lazansky, zur Meinungsäußerung aufgefordert, erklärte, „er habe sich mehrere über die in dem sogenannten kammerarchiv aufbewahrte schritten verführte bücher älterer und neuerer Zeiten vorlegen lassen und überzeigt gefunden, dass der

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