Inventare Teil 7. Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (1951)

Das Wiener Hofkammerarchiv

Das Wiener Hofkammerarchiv XXV grösste theil derselben ganz ohne nutzen und zweck aufbewahret werde, der geringere noch eine aufbewahrung verdienende aber nur aus registratursacten der stelle selbst bestehe, welche, weil davon selten ein gebrauch gemacht werde, nur dahin übertragen zu werden pflegen, um den erforderlichen raum für die currenten Schriften zu gewinnen. In rücksicht dessen wäre er der meinung, dass die stelle eines archivdirectors unbesetzt belassen, auch in der folge das ganze departement des kammerarchivs aufgehoben und mit der registratur vereiniget werden könne“. Da auch im Staatsrat niemand wider­sprach, erfloß unterm 7. August 1802 eine ah. Entschließung, die das Hof­kammerarchiv „für aufgelassen“ erklärte, die dort beschäftigten Beamten der vereinigten Hofstelle zuteilte, die Akten den ihrer Herkunft nach zuständigen Stellen zu überweisen und „jene Schriften, welche in das hausarchiv oder zur staatskanzley gehörten“, dorthin abzugeben befahl; die an die Hofstellen auszuliefernden Akten sollten in „zwo klassen“, „nämlich der ferner aufzu­behaltenden und der zu vertilgenden“, geschieden und die Aussuchung der zur Vernichtung bestimmten Stücke unter den üblichen Vorsichtsmaßnahmen sofort in die Wege geleitet werden. Als aber die eigens bestellte „acten- absönderungs- und Vertilgungskommission“ ihre Arbeit aufnehmen wollte, entsank ihr angesichts der „mehr dann 90.000 starken, aus vielen einzelnen aktenstücken bestehenden faszikuln“ der Mut zu einem Unternehmen, dessen Durchführung auch bei Einsatz „einer sehr beträchtlichen anzahlvon individuen einen Zeitraum von 30 und mehr jahren erfodern“ mußte. Nun wollte Lazansky neue Befehle einholen, doch kam ihm die Sache irgendwie aus den Augen, und so geschah zunächst einmal überhaupt nichts. Erst im Mai 1804 — inzwischen hatte eine Umgruppierung der zentralen Verwaltung stattgefunden —■ griff der neuernannte Hofkammerpräsident Graf Karl Zichy die immer noch schwebende Angelegenheit wieder auf und trat, ganz entgegen Lazansky, erfüllt von Bedeutung und Wert des bedrohten Archivs (gerade auch für die Verteidigung von „aerarial- und einzelnen familienrechten und ansprüchen“) mit beredten Worten für seine unbedingte Erhaltung ein. Der von Zichys Darlegungen sichtlich beeindruckte Kaiser widerrief nunmehr seine zwei Jahre zuvor ergangenen Befehle und trug dem Hofkammerpräsidenten sogar ausdrücklich auf, daß bei der als unumgänglich in Aussicht genommenen Skartierung „mit möglichster Vorsicht und genauigkeit vorgegangen und nichts, was nur im mindesten von Wichtigkeit oder Seltenheit, wenn auch nur in historischer hinsicht seyn könne, vertilget werden“ solle. Das Hofkammer­archiv war gerettet. Angesichts dieser durch das Unverständnis hoher Beamten herauf­beschworenen Bestandsbedrohung erscheinen die verschiedenen, letztlich ja eben aus ihrer Verkennung des Wertes des im Hofkammerarchiv erliegenden Schriftgutes entspringenden argen Verletzungen einer pflichtgemäßen Obsorge eigentlich kaum mehr erstaunlich. Nicht einmal die schutzlose Ausgesetztheit des Archivs im Falle eines Brandes, der in den verschiedenen An- und Zubauten des Kaiserspitals eine reichliche Nahrung finden mußte: „Unter sich ist eine kays. besetzte stallung; vorwärts der länge nach die wagenschuppen aus holz, die bis an die archivfenster reicht; rückwärts holzhütten und (s. v.) düng- haufen; auf der Seite rechts und links mit Wohnungen und küchen umgeben“. Die im Herbst 1807 für den 1777 bezogenen großen Archivsaal angeschafften eisernen Fensterläden, in deren Bewilligung sich die Feuerschutzvorkehrungen auch schon erschöpften, boten in solcher Umgebung natürlich nicht die Sicher­heit, deren das Archiv in dieser kriegerisch so bewegten Zeit bedurft hätte.

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