Inventare Teil 7. Inventar des Wiener Hofkammerarchivs (1951)

Die Bestände des Wiener Hofkammerarchivs - 28. Geheime Finanz-Konferenz (1716-1741) - 29. Kommerzhofstelle mit Sonderbeständen (1749-1830)

86 29. Kommerz oder wie die oberste politische Stelle sonst hieß) einen maßgeblichen Einfluß auf die Gegenstände des Handels, des Gewerbes und der Industrie behielt, dessen aktenmäßigen Niederschlag das Staatsarchiv des Innern und der Justiz als Archiv der alten Hofkanzlei verwahrt1). Die politischen Kompetenzen erfaßten namentlich das für die neuzeitliche Wirtschaftsentwicklung so bedeutungsvolle Privilegienwesen und die Promulgierung allgemeiner Ordnungen; daß die mehrfach versuchte Ausschaltung der Kanzlei immer wieder mißlang, hatte seinen Grund in ihrer Schlüsselstellung zwischen den ihr untergebenen Länderstellen und den zentralen Kommerzbehörden. Die neben diesen „politischen“ Archivalien der Hofkanzlei bei den eigent­lichen zentralen Kommerzstellen erwachsenen Akten verwahrt in vollem Umfange das Hofkammerarchiv. Provenienzmäßig durchaus zutreffend. Denn bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, da die über strömende Fülle der Agenden zu einer Verselbständigung einzelner Tätigkeitszweige führte, waren die Angelegenheiten des Handels, des Gewerbes und der Industrie in höchster Instanz der Hofkammer, als einem umfassenden Wirtschaftsministerium, anvertraut und sind in den großen, chronologisch geordneten Aktenreihen des Bestandes „Hoffinanz“ zu finden. Nachdem schon die Geschäftseinteilung für die Hofkammer von 1714 eine interne Sonderbehandlung der „Mauten, Posten und Commercien“ vorgesehen hatte2), wurde mit Handschreiben vom 6. April 1746 im „Universalkommerziendirektorium“ erstmalig eine eigene Kommerzzentralstelle aufgerichtet3). Von da an setzt ein Wechsel in der Zuteilung der Kommerzagenden ein, der alle Möglichkeiten — von der vollständigen Selbständigkeit bis zur gänzlichen Einverleibung einmal in die Hofkanzlei, dann wieder in die Hofkammer — erschöpft: zu Ende 1753 wurde das Kommerziendirektorium dem Directorium in publicis et cameralibus angegliedert4), 1762 als „Kommerzienrat“ wieder selbständig gestellt5); 1765 wurde die Kommerzstelle mit der Hofkanzlei in der Weise vereinigt, „dass zwar die böhmisch-österreichische canzley und der commercienrath abgesonderte stellen verbleiben, jedoch beyde unter der oberdirection und dem praesidio eines zeitlichen obristen canzlers stehen“ sollten; 1771 wurde der Kommerzienrat als selbständiges Departement der Hofkammer unterstellt, ein Zustand, der bis 1776 währte, in welchem Jahre er unter Beseitigung der selbständigen Behandlung seiner Agenden der Hof kanzlei inkorporiert wurde; unter Joseph II. wurden die Kommerzsachen von der 1782 geschaffenen „Vereinigten Hof­stelle“ betreut 6), Leopold II., der die „Vereinigte Hofstelle“ zerschlug, über­wies sie der Kammer 7), Franz II. legte politische Verwaltung und Finanzen im „Directorium in cameralibus et in publico-politicis“, das auch die Com­mercialia zu besorgen hatte, neuerlich zusammen (1792), trennte sie 1797 wieder und errichtete für die Kommerz-, Kameral- und Bankaisachen eine Finanzhofstelle, griff 1801 nochmals auf schärfste Zentralisation zurück, indem er Kammer, Banco und Kommerz mit der Hofkanzlei zusammenschloß, 4) Vgl. im Inventar des Allgemeinen Archivs des Ministeriums des Innern die Signaturen IV D 7, IV F, V G 1—16. 2) Ö. Z. V. 1/1, S. 125, 1/3, S. 63 ff. 3) Ö. Z. V. 1/3, S. 522 ff. 4) Ebendort, II/2, S. 417 ff. s) Dafür und für das Folgende ebendort, II/3, S. 343 ff. 6) Huber-Dopsch, Österreichische Reichsgeschiehte, S. 270. — Karl Pribram, Geschichte der österreichischen Gewerbepolitik von 1740 bis 1860, S. 354. 7) Huber-Dopsch, S. 288.

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