Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Italien - Spanischer Rat, von Josef Karl Mayr

Allgemeiner Überblick. 57 italienischen Hofkanzlei im Jahre 1803 wurde deren kurrente Registratur an die Hofkanzlei, die Hofkammer und die Oberste Justizstelle abgetreten. In der Obhut Wenzel Zanettis,1 des Registratur- und Archivdirektors jener Hofstelle, verblieb lediglich das sogenannte „lombardische Archiv“. Dazu kam die erst einzurichtende Registratur der neu begründeten dalmatinisch- albanesischen Hofstelle, die Zanetti gleichfalls anvertraut wurde. Als der Preßburger Friede von 1805 auch dieser Zentralbehörde ein Ende bereitete, wurde Zanetti zum Kustos der hinterlassenen Archive beider Hofstellen bestimmt. Das Jahr 1809 hat sie erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Wohl gelang es Zanetti, sein „Archivio di Spagna, Napoli, Sicilia, Parma, Pia­cenza, Sardegna, Modena, Milano, Mantova e Venezia“ — ein ebenso hoch­klingender wie inhaltsarm gewordener Titel — teils nach Ungarn zu flüch­ten (zwei Kisten), teils in Wien zu verstecken. Die Siegelstempel und eine italienische Mineraliensammlung hat er sogar in seiner Wohnung verborgen, ein sehr gefährliches, mit der Todesstrafe bedrohtes Unterfangen.1 2 Einen Teil seines Archivs hat er so in der Tat vor dem Zugriffe der Franzosen bewahrt. Dennoch sind diesen damals, zumal sie auch in Zanettis Registra­tur einquartiert waren, sehr beträchtliche Teile, darunter auch die wich­tigsten Werke der ebendort verwahrten Bibliothek, in die Hände gefallen und abtransportiert worden.3 Sie wurden samt allen übrigen Italien oder Illyrien betreffenden Wiener Beuteakten in 121 Kisten über Paris nach Mailand gebracht. Die illyrischen Akten wurden nach Laibach, die neapo­litanischen nach Neapel weitergeleitet. Jene Akten, die die Lombardei, Modena, den Kirchenstaat und Venezien betrafen, blieben im Mailänder Archiv von S. Fedele verwahrt. Die Handschriften — darunter auch die der Hofbibliothek — wurden teils diesem Archive, teils der Brera-Bibliothek zugeteilt, die Polizeiakten dem Mailänder Ministerium des Innern über­wiesen.4 Nach dem Sturze Napoleons ist ein Verzeichnis der Mailänder Beute­akten angelegt und nach Wien eingesendet worden. Zugleich wurde auch schon — allerdings in ganz kleinen Mengen — mit der Rücklieferung der­selben begonnen. Und zwar teils von Mailand, teils von Paris aus, wo­selbst einzelne Archivsplitter auf dem Wege von Wien nach Mailand (1809) zurückgeblieben zu sein scheinen. Nun aber interessierte sich die Staats­kanzlei nicht mehr dafür, zumal weder in ihrer Registratur noch im StA. genügend Raum vorhanden war. Daher ließ sie die Rücksendung ein­stellen und lediglich ein Verzeichnis jener Archivalien anfertigen, die für sie von besonderem Interesse sein konnten.5 So sind diese Beuteakten — 1 Vgl. Bd. I S. 545 und J. K. Mayr, Geschichte der Staatskanzlei unter Metternich, Wien 1935, S. 73. 2 R. Payer v. Thurn, Ein kaiserlicher Bibliophile (Zobeltitzfestschrift 1927), S. 72 f. 3 Staatskonferenzakten, Gruppe a Nr. 111/1809; Verzeichnisse Zanettis in StK., Vor­träge 271 (1. Febr. 1810) und Frankreich, Varia 89. 4 Staatskonferenzakten, Gruppe b Nr. 1435 und 1688 aus 1814. 5 Weisung an Ottenfels 31. Jan. 1816 (StK., Frankreich, Varia 86). Vgl. auch H. Schiitter, Zurückstellung der von den Franzosen 1809 aus Wien entführten Archive usw. (MIÖG. 22).

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