Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Bibliotheken des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, von Wilhelm Kraus

460 Die Bibliotheken des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Am rechten Rand des Katalogs stehen weitere Bezeichnungen (A5, F4, H3); sie scheinen, obwohl sie bei vielen Büchern fehlen, Bezeichnungen für Schrank und Fach zu bedeuten. In den Büchern fehlen auch diese. Da sie mit der Materieneinteilung nicht im Einklang stehen, so kann angenom­men werden, daß die Bücher selbst nicht nach Materien aufgestellt waren. Der Leihverkehr lag ganz im argen. Die Beamten der Staatskanzlei ent­nahmen in dieser Zeit vor 1843 die Bücher aus der Bibliothek ohne Ent­lehnschein und vergaßen in vielen Fällen auf die Rückstellung; sehr viele ehemals nachweisbar vorhandene Bücher mußten bei späteren Bibliotheks­bearbeitungen verlorengegeben und gestrichen werden. Karl von Kesaer selbst dürfte, als er die Stufenleiter des Staatskanzlei­dienstes immer höher emporrückte, die Verwaltung aufgegeben haben, in dem genannten Katalog taucht schon in den Dreißigerjahren eine andere unbekannte Handschrift auf. Es ist sicher, daß dieser neue Bibliotheks­beamte sein Amt, obwohl die Bibliothek bis 1843 allmählich angeblich auf ungefähr 5000 Bände wuchs,1 auch nur so wie sein Vorgänger nebenamt­lich verwaltete. Deshalb dauerten die oben bezeichneten Mängel an. Dazu kam, daß der Bibliotheksraum inzwischen, wohl wegen Zimmermangels, auch als Referentenzimmer benützt wurde.1 Diese Mißstände führten dazu, daß der bis dorthin bei der Hofbiblio­thek angestellte, mit Dekret vom 30. Jan. 1843 als geh. Staatskanzlei­offizial übernommene Dr. Heinrich Schiel1 2 im Herbst 1843 mit der Neu­einrichtung der Bibliothek betraut wurde, wobei diese gleichzeitig in einen anderen Raum — wir erfahren nicht, in welchen — übertragen wurde. Schiel stellte folgendes Arbeitsprogramm auf: 1. Jedes Werk erhält eine provisorische Nummer. 2. Sein Titel muß genau auf einem Blatt (Katalog­zettel) mit allen bibliographischen Angaben wiedergegeben werden. 3. Da­zu müssen eigene „Renvoi-Blätter“ angelegt werden, worunter er die An­lage eines alphabetischen Materien-Schlagwortkataloges meint. 4. Danach erfolgt die definitive Aufstellung und die Bücher erhalten im Inneren des Buches mit einer Etikette und auf dem Katalogzettel eine endgültige Signa­tur, die aus der Nummer des Kastens, der Bezeichnung des Bücherbrettes (Regal) und der Zahl des Werkes nach arithmetischer Ordnung bestehen soll. Hienach erst kann 5. an die Abfassung eines Kataloges geschritten werden. Tatsächlich scheint Schiel alle diese Arbeiten in kurzer Zeit ausgeführt zu haben. Auch legte er im März 1844 einen neuen Katalog (es wäre dies der zweite in der zeitlichen Reihenfolge) vor, der aber leider nicht aufzu­finden ist. Auch ein zwar zahlenmäßig nicht bekannter, aber sicher nicht unbeträchtlicher Zuwachs, den die Sammlung durch die Einziehung der Bibliothek der 1843 aufgelassenen Italienischen Hofkanzlei3 erhielt, wurde 1 J. K. Mayr a. a. 0. S. 82. 2 Vgl. J. K. Mayr a. a. O. S. 65, 82, 83 und Staatskanzlei-Interiora-Organisierung Fasz. 3. Schiel trat später in den Dienst des Ministeriums des Innern, gelangte aber seit 1860 als Herausgeber der „Correspondance générale autrichienne“ wieder in lose Verbindung mit dem Außenministerium. 3 J. K. Mayr a. a. O. S. 83.

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