Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Bibliotheken des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, von Wilhelm Kraus

456 Die Bibliotheken des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. der Zettelkatalog sei ein Realindex und Bücher seien unkatalogisiert ge­blieben u. a. m. Einen besonders schweren Vorwurf erhebt Lorenz hinsicht­lich der Broschürensammlung: es sei einmal eine einheitliche, gebundene Sammlung vorhanden gewesen, die zerteilt und deren einzelne Bände noch obendrein zerrissen und in die Einzelbroschüren zerlegt worden seien, ohne daß aber an Stelle der früheren eine neue Ordnung getreten sei. Von den ehemals verzeichneten 202 Stücken fehlten durch diesen Vorgang 98, also fast die Hälfte. In diesem Punkt ist allerdings nicht klar zu sehen, da Zahlenangaben oder Verzeichnisse aus früherer Zeit fehlen. 1861 meldet Lorenz, daß er bei der Katalogisierung der Broschürensammlung 845 Num­mern, dann der separat katalogisierten der Reformationsschriften 251 Num­mern, zusammen also 1096 Nummern zähle. Lorenz stellte ferner den sicherlich praktischen Antrag, die beiden Zettelkataloge der Amts- und der Reinhartschen Bibliothek zu vereinigen, dagegen den Realindex vom Zettelkatalog zu trennen. Dies ist auch durchge­führt worden, denn in dem autorenalphabetischen Zettelkatalog (AB. 543 a/6) finden sich Zettel der Reinhartschen Bücher mit der Bezeichnung „Reinhart“. Und ebenso reihte er die Bücher der Reinhartbibliothek in die Amtsbiblio­thek ein, wodurch eine Um- und Neusignierung erfolgte. Lorenz stellte auch zwei neue Bücherkästen auf und in drei Monaten seiner Leitung üossen der Bibliothek 156 neue Bände oder Hefte durch Kauf oder Ge­schenk zu. Als sein Nachfolger Böhm 1865 die Bibliothek revidierte, fand er sie in bester Ordnung vor und änderte nichts daran. Die Buchentnahme sollte in Hinkunft so geschehen, daß für eine längere Entnahme, als bloßes Nachschlagen erfordern würde, der Entlehner Autor und Titel des Werkes mit seiner Unterschrift in ein hiefür bestimmtes alphabetisches Entlehn­buch eintragen solle. Diese Methode hat sich nicht bewährt: das Entlehn­buch zeigt nur wenige Eintragungen. So kritisch sich auch Lorenz in seinem Bibliotheksreferat gezeigt hatte und so groß die Aufmerksamkeit war, die er der Broschürensammlung zuwandte, besonders den Flugschrif­ten aus der Reformationszeit — es ist in dieser Beschäftigung mehr der Historiker als der Bibliotheksmann zu erkennen —: das zu seiner Zeit be­stehende Katalogsystem hat er trotz seiner Kritik daran nicht in wesent­lichen Punkten geändert. Da er 1860 a. o., 1862 o. Professor an der Uni­versität Wien wurde, fand er wohl keine Zeit mehr dazu. Seit 1872 wurde die Bibliothek von Gustav Winter (als Nachfolger Böhms) geführt und erst mit ihm beginnt ein neuer Abschnitt für die Amts­bibliothek des Archivs; er brach vollkommen mit dem bestehenden System und den vorhin beschriebenen Katalogen und führte vom Sommer 1873 bis Weihnachten 1875 zusammen mit Thomayr in 2l/2 Jahren eine vollkommene Neubearbeitung der Bücherbestände durch, derart, daß er die Neukatalogi­sierung in Form eines Zettelkatalogs (heute AB. 543 a/7) auf sich nahm und Thomayr wohl nach Winters Anweisung den Realkatalog in Bandform schrieb (heute AB. 451 a/7). Beide stehen heute noch nach über 60 Jahren in Geltung. Der Real-Bandkatalog der Bibliothek ist schon sehr unüber­sichtlich geworden und wird jetzt in allmählicher Arbeit durch einen materienalphabetischen Zettelkatalog ergänzt (s. unten S. 458). Winter

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