Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Bibliotheken des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, von Wilhelm Kraus
1. Die Bibliothek des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. 453 nur sehr unvollständig erhalten geblieben.1 Der Katalog für alle eingelangten Bücher zusammen sollte binnen Monatsfrist vorgelegt werden, doch war dabei die dazu notwendige Arbeitszeit stark unterschätzt worden, besonders da Gassier auch mehrfach kränklich war. Erst 1812 ist wieder etwas von einem Katalog zu hören. Dieser Katalog ist auch erhalten geblieben,1 2 er trägt die Aufschrift „Catalog der Archivs-Bibliothek. Verfaßt circa 1790. Im Gebrauche bis 1811 incl.“ Die Zeitangaben sind falsch. 1790 kann er aus vielen Gründen nicht verfaßt sein: er enthält Bücher der Reichshofrats- wie der Salzburger Hofbibliothek und ist im Bestandskem von Knechtl geschrieben; all dies ist aber erst nach 1806 möglich. Er ist somit nach den obigen Aktenangaben zwischen 1806 bis 1812 entstanden. Er enthält Nachträge noch von anderer Hand als der Knechtls — es ist somit sehr wahrscheinlich, daß er bis weit nach 1811 in Geltung geblieben ist; da aber keine Büchererwerbungslisten vorliegen, läßt sich aus den Büchernachträgen kein Schluß ziehen. Der autorenalphabetische Katalogband ist — wie alles was Knechtl gearbeitet hat — mit großer Gründlichkeit verfaßt: außer den um diese Zeit üblichen Angaben (s. den ersten Katalog der Ministerialbibliothek unten): Autor, Titel und Lókat, gibt Knechtl noch Verlagsort und Verleger an, Erscheinungsjahr, Format und Bandzahl. Er unterscheidet Folio, Quart-, Oktav- und Duodezformat.3 Das Lókat ist mit Buchstaben und Zahlen angegeben: L50, wobei L den Kasten, die Zahl aber nicht das Regal, sondern wohl die Buchnummer in diesem Kasten bezeichnet. Diese Lokatangabe ist im Innern des Buches in der linken oberen Ecke des Buchdeckels angeschrieben. Die Bücher scheinen in den Kästen nach Sachgebieten aufgestellt gewesen zu sein, denn unter A sind nur Werke zur Geschichte des Altertums, unter C Werke zur Rechts- und Kirchengeschichte, unter L Werke zur Geschichte der österreichischen Kronländer verzeichnet; es wäre danach ohne weiteres möglich, den ganzen Bestand der Bibliothek um 1810 ff. nach jeder Hinsicht in Aufstellung, Umfang, Inhalt usw. zu rekonstruieren. Über die weitere Entwicklung der Amtsbibliothek bis ungefähr 1860 ist zu sagen, daß sie nur sehr langsam vor sich ging. 1829 besteht ein Nominal- und Realkatalog über die zu dieser Zeit mit rund 4600 Bänden angegebene Bibliothek. Die Bändezahl war 1807 mit 3500 angegeben, 1829 mit 4600 — das ist eine Vermehrung um 1100 Bände in 22 Jahren. Die Klagen über eine zu geringe Dotation erscheinen daher durchaus berechtigt: so betrug sie für das ganze Archiv 1816 80 fl. vierteljährlich, wovon ebenso Licht, Beheizung und Bedienung wie Faszikeldeckel, Schnüre und Zeitungen zu bezahlen waren. Für weitere literarische Bedürfnisse wird ein Betrag von 500 bis 600 fl. jährlich erbeten — noch 1830 war diese Bitte nicht erledigt. 1829—1840, also in fast zwölf Jahren, betrug der Zuwachs, da die Büchersammlung im Jahre 1840 mit 5000 Bänden an1 Zwei Verzeichnisse aus Salzburgischem Archivbestand sind veröffentlicht von F. Pirkmayer in den „Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“ 1872 (XII), S. 367 u. 382. 2 Als AB. 451 a/1 aufgestellt. 3 Z. B. Abermanns Historische Beschreibung von Wien, fol. 1, O 69.