Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die unter Vorbehalt des Privateigentumsrechtes hinterlegten Archivkörper und Sammlungen, von Fritz von Reinöhl
Am 7. April und 3. Juli 1936 hinterlegte Freiherr von Macchio mit Vorbehalt seines Eigentumsrechtes eine Anzahl der in seinem Besitz befindlichen Schriften im StA. Diese sind mit Bewilligung des Eigentümers benützbar. Freiherr von Macchio hat verfügt, daß sie nach seinem Tode in das Eigentum des StA. überzugehen haben. Verzeichnis: Schriftwechsel und Aufzeichnungen, 2 Schachteln. Nachlaß Gustav Marchet. Marchet wurde am 29. Mai 1846 in Baden bei Wien als Sohn eines Apothekers geboren. Nachdem er 1867 an der Wiener Universität das Doktordiplom der Rechte erworben hatte, praktizierte er 1868 und 1869 bei Gericht, bei der niederösterreichischen Statthalterei und im Ackerbauministerium. 1869 wurde er Assistent, 1870 Honorardozent und 1872 außerordentlicher Professor an der k. k. Forstakademie zu Mariabrunn. 1875 wurde er zum außerordentlichen Professor der Gesetzeskunde und Verwaltungslehre an der neu errichteten Hochschule für Bodenkultur in Wien ernannt, 1882 wurde er ordentlicher Professor dieses Faches. Marchet widmete sich besonders volkswirtschaftlichen Fragen, was dazu führte, daß er 1878/79 vom Ackerbauministerium zur Mitarbeit in Fragen des landwirtschaftlichen Kreditwesens herangezogen wurde. 1879 versuchte Marchet zunächst vergeblich die politische Laufbahn zu betreten. 1891 wurde er im Wahlbezirk Baden von der deutschfortschrittlichen Partei zum Reichsratsabgeordneten gewählt, verlor das Mandat 1897 aber an die christlichsoziale Partei. 1901 errang er es wieder, um es 1907 abermals an seine Gegner abgeben zu müssen. Als Abgeordneter hat er sich um die Weinbaugesetzgebung, um das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen, um das Güterbeamtenversorgungsgesetz und um die Lehrerdienstpragmatik verdient gemacht. 1906 wurde er in den Wahlreformausschuß des Abgeordnetenhauses entsandt, welcher ihn zu seinem Obmann wählte. Seinem parlamentarischen Wirken setzte die am 2. Juni 1906 erfolgte Ernennung zum Minister für Kultus und Unterricht ein vorläufiges Ende. Als solcher wandte er der Ausgestaltung des Volks- und Mittelschulwesens, namentlich der Gymnasien, sein besonderes Augenmerk zu. Auch die gewerblichen und die kommerziellen Fortbildungsschulen erfuhren seine Förderung. Der höhere landwirtschaftliche Unterricht wurde unter ihm beträchtlich ausgestaltet. Sein Verdienst ist es auch, den Ausbau des Wiener Konservatoriums zu einer staatlichen Akademie für Musik und darstellende Kunst angebahnt zu haben. Der Jugendschutz und die Kinderfürsorge wurden unter ihm ausgebaut, zum erstenmal auch der Erziehung schwachsinniger, aber bildungsfähiger Kinder besondere Sorgfalt zugewiesen. Die Förderung der tschechischen „Komensky-Schule“ in Wien, die Lex Perek und die Affäre Wahrmund erschütterten Marchets Stellung. Dennoch blieb er im Amt, bis er am 15. Nov. 1908 mit dem Ministerium Beck zurücktrat. Nach seinem Rücktritt beschränkte sich sein parlamentarisches Wirken auf die Tätigkeit im Herrenhaus, in welches er 1907 berufen worden war. Da seit Sommer 1914 das Parlament nicht mehr einberufen wurde, rief Marchet im Verein mit Nachlaß Joseph Freiherr Lasser von Zollheim — Nachlaß Gustav Marchet. 429