Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Belgien, von Oskar Schmid
Gesandte und Korrespondent verfügte über einen eigenen, oft auch über mehrere — verwendet wurde. Das System war zunächst nicht allzu kompliziert, es wurden willkürliche Zeichen oder Zahlen für einfache Buchstaben und auch für Doppelkonsonanten gebraucht, oft zwei oder mehr verschiedene Zeichen für einen und denselben Buchstaben. Erranten standen gleichfalls in Gebrauch, und zwar schob man sie nach freiem Belieben da und dort ein. In den anscheinend in claris wiedergegebenen Absätzen findet sich ferner nicht selten eine Anzahl von Deckworten, vornehmlich für Personennamen. Manchesmal wurden auch ganze Sätze und Wendungen durch andere gedeckt. Nach 1530 ungefähr nahmen die Schlüssel eine kompliziertere Form an, auch zeigen sie mehr System als früher, Zahlen fanden ausgedehntere Anwendung, ebenso auch Erranten. Die Ziffernkorrespondenzen des Repertoriums P finden sich zumeist auch in entziffertem Zustand mit der Entzifferung am Rande oder auf einem eigenen Blatt vor. Zu betonen ist jedoch, daß es sich bei dem an den Rand gestellten Text in vielen Fällen nicht um Entzifferungen schlechtweg, sondern um freie Inhaltsauszüge der Ziffernstellen handelt. Zur Rekonstruierung des Schlüssels sind sie also nicht unmittelbar geeignet. Ziffernschlüssel sind in den hiesigen Akten mit Ausnahme eines einzigen in P A Fasz. 14 (föl. 279—281) keine erhalten. Der eben angeführte stand für die Korrespondenz Adrians von Croy, Sr. de Beauraing (Hubert Grillet, marchant) mit dem Kaiser in Verwendung. Auffallend in der belgischen Korrespondenz ist die verhältnismäßig stattliche Anzahl von aufgefangenen (interzipierten) Stücken französischer, italienischer und auch deutscher Herkunft, die vom Kaiser der Statthalterin oder umgekehrt in extenso oder in Auszügen als Korrespondenzbeilagen zur Kenntnis übermittelt wurden. Welcher besonderen Klasse diese Interzepte zuzuteilen wären, läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen, doch dürften sie ihr Entstehen vornehmlich erbeuteten und gewaltsam angeeigneten, nicht aber heimlich aufgefangenen Korrespondenzen verdanken. Öffnet man einen Faszikel des Repertoriums P, so offenbart sich schon aus den verschiedenen zu Beginn eingelegten Blättern ein Bild der Schicksale, die dieser Bestand über sich ergehen lassen mußte. Zunächst finden sich die Spuren der ehemaligen Verpackung Dirix, ein Deckel mit einem Pergamentschild, das mit einer Aufschrift versehen war und gleichzeitig auch zur Befestigung der im Faszikel vereinigten, aufgefädelten Stücke zu dienen hatte. Darauf folgt eine oft recht erhebliche Anzahl von Blättern mit Vermerken über Inhalt und Auslieferungen mit Listen von Stücken, die sich Gachard1 gewünscht hatte und die ihm zumeist überantwortet, gelegentlich aber auch verweigert worden waren, Bemerkungen, die mitunter recht aufschlußreich sind und den ehemaligen Inhalt, oft recht umständlich, rekonstruieren lassen. Vielfach ist die Auslieferung der sogenannten „Doubles“ vermerkt, wobei aber nicht kenntlich gemacht ist, von III. Eep. P: f) Die Entwicklung des gegenwärtigen Standes des Eepertoriums P. 143 1 Louis Gachard, kgl. belgischer Generalarchivar. Vgl. oben S. 120 f.