Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
Die Innsbrucker Archive usw. — Die Schatzgewölbe zu Graz und Wr.-Neustadt. 81 466 Urkunden aus Graz zurückbrachte,1 obzwar bei der Teilung von 1564 nach Graz ein sehr beträchtlicher Teil des Wiener Schatzarchivs abgegeben worden war2 (die damals nach Graz abgetretene Abteilung Görz allein umfaßte etwa 2000 Urkunden; nach Innsbruck waren damals nur wenige Urkunden gekommen, und doch brachte Rosenthal ungefähr dreimal soviel Urkunden aus Innsbruck wie aus Grazi). Die Hauptmasse der im 18. Jahrhundert aus Graz nach Wien gebrachten Urkunden, d. h. den Hauptinhalt des Grazer Schatzgewölbes, bilden die im Jahre 1565 aus dem Wiener Schatzarchiv an Erzherzog Karl ausgelieferten Urkunden. Freilich befanden sich unter diesen Urkunden auch die zur Zeit Kaiser Friedrichs III. und von Putsch aus Graz (1528) und Wiener-Neustadt (1527, 1529 und 1537)3 gebrachten Archivalien. Unter diesen befanden sich allerdings wieder ein Anzahl aus Wien nach Wiener- Neustadt verschleppter Dokumente! In Wiener-Neustadt befand sich nämlich — neben Graz und der Feste Klamm — mindestens seit 1412 das Archiv der Leopoldiner; seit diesem Jahre überwiegt Wiener-Neustadt als Ausstellungsort der Urkunden der innerösterreichischen Herzoge. Hier wurden nun während der vormundschaftlichen Regierung Friedrichs III. für Ladislaus Posthumus eine Anzahl Wiener Schatzgewölbe-Urkunden hinterlegt, was aus den späteren Rückforderungen durch Ladislaus4 und aus einem Verzeichnis hervorgeht, das den Titel führt: „Außzug auß der Schatzbrief-Registratur der herrn von Österreich, Testament, Vertrag, Tail- brief und Verainigung, sovil der im briefgewelb zu der Neuenstat sein.“ 5 Dieses Verzeichnis, das wohl anläßlich der Aufenthalte Putschens in Wiener- Neustadt entstanden ist, enthält Urkunden von 1355—1458 (darunter die Hausordnungen vom 25. Nov. 1355 und vom 18. Nov. 1364, den Neuberger Teilungsvertrag vom 25. Sept. 1379, die Verträge zwischen Friedrich III. und Albrecht VI. von 1453 und 1458), also eine Dokumentenreihe, die mit einigen Stücken vor die Teilung von 1379 zurückreicht, in eine Zeit, da es überhaupt noch keine steirische Linie und natürlich auch noch kein Archiv einer solchen Nebenlinie gegeben hat. Muß man im übrigen bei Urkunden, die in mehreren Originalen erhalten sind (der Neuberger Vertrag z. B. in zwei), annehmen, daß in Wiener-Neustadt eben das leopoldinische Exemplar lag, das ja auch provenienzgemäß dorthin gehörte, so fällt die Möglichkeit einer solchen Annahme weg, wenn — wie etwa von der Hausordnung von 1355 — nur ein Exemplar vorhanden ist, das doch offenkundig aus dem Wiener Schatzgewölbe nach Wiener-Neustadt gebracht worden sein muß. Friedrich III. erweiterte nämlich das Wiener-Neustädter Archiv, in das er bereits als Herzog von Steiermark im Jahre 1435 die in Klamm hinterlegten „brief“ hatte überführen lassen,6 zum kaiserlichen Archiv; es war 1 Siehe Inventar des Steiermärkischen Statthalterei-Archivs in Graz (Inventare österreichischer staatlicher Archive IV), S. 124. 5 Siehe die bezüglichen Bemerkungen über die Schicksale der einzelnen Abteilungen des „Wiener Putsch“ im Abschnitt über das Wiener Schatzgewölbe. 3 Stowasser, Das Archiv der Herzoge von Österreich, S. 22. 4 Ebenda, S. 10. 5 österreichische Akten - österreichischer Staat, Fasz. 9. 6 Siehe Chmel, Materialien zur österreichischen Geschichte Ib, S. 30 f-, n. XI. Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 6. 6