Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
78 Die Urkundenabteilung. künden — soweit sie nicht bei ihren bewegten Schicksalen überhaupt verloren sind — heute an nicht weniger als sieben Orten: in Kolmar, Straßburg, Karlsruhe, Stuttgart, München, Innsbruck und Wien.1 Überblickt man die seit dem 17. Jahrhundert aus Innsbruck nach Wien gebrachten Urkunden im ganzen, so ergibt sich aber wohl trotz allem, daß die Klage des Innsbrucker Gubernial-Registraturs- und Archivsdirektors Röggl (in einer Äußerung vom 5. Aug. 1838) über die „Plünderung“ des Innsbrucker „Provinzial-Archivs“ in dieser Allgemeinheit nicht ganz gerecht ist, und es wäre sicher, auch vom heutigen Standpunkt der provenienzmäßigen Betrachtung der Archivalien aus, bedauerlich, wenn Röggls Forderung nach Rückstellung der 1806 nach Wien und 1813 nach München (1837 nach Wien) gebrachten Urkunden durchgedrungen wäre. Denn wenigstens von den im Jahre 1837 nach Wien gebrachten Urkunden (Repertorium VI = AB. 381) gehört, wie wir sahen, ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner ursprünglichen Provenienz gemäß nach Wien. Der gleichfalls über das Ziel schießende Gegenvorschlag der Direktion des StA., der alle Urkunden tirolischer Regenten und der ehemaligen unmittelbaren Stände (der erloschenen Dynastenfamilien) sowie alle Urkunden aufgehobener Klöster, Stifter und Korporationen für das Wiener StA. in Anspruch nahm, ist von der Idee, das StA. zu einem Zentralinstitut und zu einer wissenschaftlichen Anstalt auszugestalten (siehe Bd. I Einleitung S. 22* ff., 124*), getragen. Das StA. sei, so wird ausgeführt, „nicht nur als Ort der Bewahrung und Beleuchtung aller jener Urkunden, welche die aufeinanderfolgenden regierenden Häuser betreffen, und auch solcher, welche irgendein auf ein staatsrechtliches Interesse Bezug habendes Faktum enthalten, sondern auch als ein literarisches Institut zu betrachten, aus welchem die Geschichte und ihre vorzüglichen Hilfswissenschaften, Chronologie, Geographie und Genealogie, die wichtigsten Erläuterungen zu erwarten haben“; auf die Klosterurkunden legt man eben wegen ihrer Wichtigkeit „für die Geographie des Mittelalters“ Wert. Glücklicherweise kam jedoch keiner der beiden Vorschläge zur Durchführung. Nicht die Forderungen, sondern die natürlich viel bescheideneren Angebote bildeten die Grundlage dieser im Februar 1841 erfolgten Archivalienverschiebung zwischen Innsbruck und Wien. Das Verzeichnis der vom StA. nach Innsbruck abgegebenen Archivalien enthält nur 6 Urkunden der Stifter Wüten und Stams aus dem 14. Jahrhundert, deren Empfang Röggl am 28. Febr. 1841 bestätigte.2 Vom Innsbrucker Gubernialarchiv 1 Über die Schicksale der vorländischen Archivalien siehe Hermann Baier, Die Registratur des Ensisheimer Regiments und das Archiv der vorderösterreichischen Regierung (Archivalische Zeitschrift, III. Folge, Bd. 7, 1931). M. Mayr a. a. 0. S. 163ff.; Reg. des StA. Z. 32/1753, 6/1761, 5/1767 (fußt auf einem Schreiben der vorderösterreichischen Regierung an die Erzherzogin Claudia von 1635 und zwei Berichten der vorderösterreichischen Regierung an die oberösterreichische Regierung von 1655, deren zweiter über den Bericht der österreichischen Kommissäre betreffs der von Frankreich auszufolgenden Schriften handelt; diese Aktenstücke fand Rosenthal 1751 in Innsbruck), 63/1805, 133/1899 und 3257/1928. Ein Inventar der in Colmar befindlichen Ensisheimer Archivalien ist von Briéle in der Collection des Inventaires sommaires des archives départementales ant. ä 1790 publiziert (Haut-Rhin, lre partié, Colmar 1863). * Reg. des StA. Z. 9/1841.