Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

64 Die Urkundenabteilung. noch deutlicher seit 1425 zur dauernden Residenz geworden war.1 Erst jetzt kann man den Urkunden „Innsbrucker Provenienz“ im strengsten Sinne zuerkennen. Im weiteren Sinne kann man allerdings auch bei den vorländi­schen Urkunden von Innsbrucker Provenienz sprechen, da ja die vorländi­sche Verwaltung lange Zeit in Innsbruck zentralisiert war; ein Teil der vorderösterreichischen Herrschaften (Hohenberg, Nellenburg, Landgraf­schaft im Hegau, Landvogtei Schwaben, Markgrafschaft Burgau und die Herrschaften vor dem Arlberg) unterstand unmittelbar den Innsbrucker Behörden, die anderen (die Herrschaften im Elsaß und Breisgau und die übrigen oberrheinischen Gebiete) wurden zwar von der vorderösterreichi­schen Regierung in Ensisheim selbständig verwaltet, aber von hier ging in wichtigen Sachen der Behördenzug an die Innsbrucker Regierung, der die Ensisheimer untergeordnet war. Betrachtet man die Ausstellungsorte der vorländischen Urkunden, so legt die Wiederkehr immer der gleichen Namen (Baden i. A., Rheinfelden, Freiburg, Konstanz, Schaffhausen, Rothenburg a. N., Breisach u. a.; auch Ensisheim schon seit etwa 1400) den Schluß nahe, daß sich an diesen Orten frühzeitig Registraturen bildeten,1 2 wie wir es ja von Baden i. A. (Hs,s. Böhm [AB. 466] 450)s und von Ensisheim wissen. Klarheit bringen könnte hier nur eine genaue Untersuchung der vorländi­schen Verwaltung (über den Sitz der habsburgischen Beamten) und vor allem eine diplomatische Untersuchung über das Vorhandensein verschie­dener vorländischer Kanzleien. Vorderhand steht nur fest, daß in Ensis­heim bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein habsburgischer Vogt erscheint, der ein Jahrhundert später Landvogt oder Oberster Hauptmann in Schwaben und Elsaß (im Aargau, Thurgau und Schwarzwald) genannt wird und dem im 15. Jahrhundert landesfürstliche Räte zur Seite stehen. Diese habsburgische Regierung im Oberelsaß verschmolz nun mit dem den Habsburgern verliehenen alten kaiserlichen Landgericht, das eben damals nach Ensisheim verlegt und allmählich ein landesfürstliches Gericht wurde. Hier haben wir den Ursprung des Ensisheimer Regiments. Zu einer richti­gen Behörde wurde es durch die Einsetzung der Regentschaft für den schwachsinnigen Sigismund von Tirol, seine entscheidende Ausgestaltung empfing es durch die Behördenorganisation Maximilians I. und die Instruk­tion Ferdinands I. vom 17. Aug. 1523.4 Jedenfalls muß man aber immer darauf achten, ob die Urkunden auch in der Tat aus den Registraturen der die Verwaltung der Vorlande führen­den Herzoge oder der habsburgischen Vögte, Hauptleute usw. in den Vor­landen stammen. Innsbrucker Provenienz — im weitesten Sinne — sind demnach etwa Urkunden wie die Quittungen auf Herzog Leopold vom 30. Mai 1315 und 1 Vgl. das Itinerar in den Urkundenverzeichnissen der „Geschichte des Hauses Habs­burg“ von Lichnowsky. s Siehe ebenda. 3 Stowasser a. a. 0. S. 37. 4 Vgl. zu dem Vorausgehenden O. Stolz, Archiv- und Registraturwesen der oberösterr. (tirolisch-schwäbischen) Regierung im 16. Jahrhundert (Archivalische Zeitschrift, III. Folge, Bd. 9/10, 1934) und Beemelmans, Die Organisation der vorderösterr. Behörden (Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Neue Folge Bd. 22, 1907).

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